02.07.2010 / Feminismus / Seite 15
»Lebensschützer« dürfen belästigen
Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem am Dienstag
veröffentlichten Beschluß Jubel bei Abtreibungsgegnern
ausgelöst. Die Karlsruher Richter hoben damit das Verbot einer
Protestaktion gegen einen Münchner Arzt auf. Die
Verfassungsbeschwerde eines religiös motivierten
»Lebensschützers« hatte Erfolg.
Der Mann hatte sich 2003 und 2004 an zwei Tagen vor die Praxis des
Frauenarztes gestellt, der damals Schwangerschaftsabbrüche
vornahm. Dabei verteilte er Flugblätter, auf denen es
hieß, der Gynäkologe führe »rechtswidrige
Abtreibungen durch, die aber der deutsche Gesetzgeber erlaubt und
nicht unter Strafe stellt«, und er sprach Passantinnen an,
die er für Patientinnen des Arztes hielt. Landgericht und
Oberlandesgericht in München verurteilten ihn auf die Klage
des Arztes hin zur Unterlassung der Äußerungen. Zudem
durfte er Passantinnen in einem Umkreis von einem Kilometer um die
Praxis nicht mehr ansprechen.
Karlsruhe urteilte jedoch, die Äußerungen träfen
den Arzt weder in seiner Intim- noch in seiner Privatsphäre
und müßten deshalb grundsätzlich hingenommen
werden. Die Erwägung, daß Patientinnen sich einem
»Spießrutenlauf« ausgesetzt sehen könnten,
könne zwar im Einzelfall die Sanktionierung von Aktionen
rechtfertigen, nicht aber das hier ausgesprochene »umfassende
Verbot«. (ddp/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/146850.lebensschützer-dürfen-belästigen.html