16.06.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Kein Aufklärungswillen
Lenny Reimann
Vieles spricht dafür, daß die unter der Bezeichnung
»Sachsensumpf« 2007 bekanntgewordenen kriminellen
Vorgänge nicht nur eine Frage der Vergangenheit sind. Noch
heute gibt es jedenfalls Aktivitäten, die eine Aufklärung
der Vorwürfe, die von versuchten Tötungsdelikten
über Kindesmißbrauch bis hin zu dubiosen
Immobiliengeschäften reichen, mit allen Mitteln verhindern
wollen.
Vertreter aller demokratischen Landtagsparteien in Sachsen mit
Ausnahme der Linkspartei stehen im Verdacht, sich nach der Annexion
der DDR an massiven Straftaten beteiligt zu haben. Der
Aufklärungswille hält sich daher in Grenzen, vor allem
bei der CDU des Freistaates.
Das belegt auch das Vorgehen der sächsischen Justiz, die
notorisch vor allem gegen diejenigen Journalisten und
Polizeibeamten aktiv sind, die aufklären wollen. In Politik
und Justiz erklären z. T. unter Verdacht Stehende, alle
amtlichen Erkenntnisse, die auf über 15000 Seiten dokumentiert
sind, seien Lügen und Spinnereien. Sie versuchen, Kritiker
mundtot zu machen. Gegen den Linkspartei-Abgeordneten Klaus Bartl,
der den »Sachsensumpf«- Untersuchungsausschuß
schon in der vergangenen Legislaturperiode leitete, wurde
seinerzeit flugs die Stasi-Karte gezückt. Kein Zufall
dürfte sein, daß die Staatsanwaltschaft gegenwärtig
den SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle – den einzigen
ernstzunehmenden Aufklärer seiner Fraktion – mit
fragwürdigen Vorwürfen unter Druck setzt.
Vieles spricht dafür, daß die kriminellen Netzwerke in
dem vermuteten Ausmaß tatsächlich existierten. Der neu
eingesetzte Untersuchungsausschuß sollte der Frage nachgehen,
inwiefern ein Kartell von Vertuschern und Straftätern aus
höheren Kreise in Sachsen aktiv ist.
https://www.jungewelt.de/artikel/145997.kein-aufklärungswillen.html