29.05.2010 / Schwerpunkt / Seite 3

Proletarische ­Linie Kittner

Christof Meueler
Die Programme von Dietrich Kittner tragen öfters schöne Titel: »Die bornierte Gesellschaft«, »Konzertierte Reaktion« oder »Wollt ihr den totalen Mief«. Meistens knallen sie aber gleich mit der Schnauze in den Porzellanladen: »Dem Volk aufs Maul«, »Maden in Germany« oder »Sehr geehrte Drecksau«. Denn Kittner steht für so etwas wie die proletarische Linie im deutschen Kabarettbetrieb. Immer feste druff, anschnallen können Sie sich woanders. Weil sein Wortwitz so politisch ist, geht er vielen auf die Nerven. Meistens denen, die mit Politik nicht behelligt werden wollen, denn das Leben habe ja angeblich auch gute Seiten. Und deshalb wird die Eigentumsfrage nicht gestellt, sondern höchstens mal vom Grundeinkommen gefaselt. Das geht vom Kabarett bis rein in die Linkspartei, in der viel zu viele stolz darauf sind, für die besseren Sozialdemokraten gehalten zu werden. Kittner kommt aber vom anderen Stern, vom roten. Den hat er auch offen am Revers, denn was soll der andere Unsinn?

Wenn man also sagt, Kittner sei vorhersehbar, dann ist genau das auch seine beste Qualität, denn er hat keine Lust auf irgendwelche Friedenspfeifen und Quatschdosen – seine Scherze richten sich gegen das Kapital als gesellschaftliches Verhältnis, gegen die Ausbeutung und gegen die Unterdrückung. So einfach ist das.

Deshalb macht er auch direkte Aktion, meistens in Hannover: Kittner war der Mitinitiator der berühmten »Roter Punkt«-Kampagne gegen Fahrpreiserhöhungen, erkämpfte ein »Lauschverbot« gegen sich und natürlich war er auch in der Kampagne gegen die Weltausstellung 2000, die die »Expo absagen statt ertragen wollte«.

Kittner ist Klassenkampf und Grassroots, aber auch Intellektueller, Gitarrist, Autor und arbeitender Lesender: Früher waren 230 Auftritte im Jahr für ihn normal. Proletarian Art Threat – wie The Fall sangen.



Fünf-CD-Box: »Kittners progressive Nostalgie – Die frühen Jahre« (edition logischer garten), bestellbar bei elgkittner@aol.com
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