24.04.2010 / Schwerpunkt / Seite 3

Daten und Fakten: Neun Milliarden Euro für weniger Bahn

Gangolf Stocker, Stadtrat der Fraktion SÖS (Stuttgart Ökologisch Sozial) und Linke, ist Sprecher der Initiative »Leben in Stuttgart«. Seit 16 Jahren kämpft diese gegen das Bahnhofsprojekt »S 21«. »›Stuttgart 21‹ zerstört Denkmäler, Grundwasser und möglicherweise auch die Mineralwasserquellen. Es greift ein in Umwelt und in privates Eigentum, verschärft die sowieso schon unzulässigen Feinstaub-, CO2- und Stickstoffoxydemissionen«, argumentiert der Lokalpolitiker. Mit »S 21« enstehe im Herzen der baden-württembergischen Landeshauptstadt eine Baustelle für 15 bis 20 Jahre. Das greife massiv in den Alltag der Einwohner und Pendler ein. Stockers Hauptkritik aber: »S 21« baut den Bahnknoten Stuttgart zurück statt aus. »Das Projekt bringt keinerlei Reisezeiteinsparungen und kostet voraussichtlich zwischen sieben und neun Milliarden Euro.« Die Kritiker berufen sich bei ihren Zahlen auf das Münchner Verkehrsplanungsbüro Vieregg und Rössler. »Das sind diejenigen, die die Transrapidkosten auf den Punkt genau geschätzt haben«, so Stocker.

In der Bevölkerung stößt das Megabauprojekt auf massiven Widerspruch. Wer hat also Interesse an seiner Realisierung? Wieder Stocker: »Die gleichen Baukonzerne, die in Köln schon so segensreich gewirkt haben, nämlich Bilfinger und Berger, Hochtief, Wayss und Freitag und Züblin. Und die Banken natürlich. Und der Tunnelbohrmaschinenhersteller Herrenknecht.«

Die Initiative »Leben in Stutgart« ist zuversichtlich, »S 21« noch verhindern zu können. Viele »Planungsbaustellen« seien noch offen, sagt Stocker. »Von den 14 Planfeststellungsabschnitten der Neubaustrecke und von »S 21« sind sieben planfestgestellt und sieben noch völlig offen. Und bei den planfestgestellten Abschnitten will die Bahn sparen, muß also Planänderungsverfahren durchführen. Bis zur Planfeststellung aller Abschnitte, also des gesamten Projektes – so es denn je dazu kommt – wird es noch viele Jahre brauchen.«

Für die Kundgebung an diesem Samstag erwarten die Organisatoren bis zu 10000 Teilnehmer. Für den 10.Juli ist eine landesweite Demonstration in der Schwabenmetropole geplant. »In Baden-Württemberg läuft der Landtagswahlkampf an, und da wollen wir schon mal ein zentrales Thema setzen«, erklärt Stocker. (ub)
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