13.04.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Kriegsbefürworter lügen sich aus der Verantwortung
Rede des Bundestagsabgeordneten Herbert Behrens (Die Linke) aus
Osterholz-Scharmbeck auf der Friedenskundgebung am Sonntag in
Bremervörde
Wer jetzt nach Aufrüstung in Afghanistan ruft, nimmt noch mehr
tote Soldaten der Bundeswehr billigend in Kauf. Schwere
Kampfpanzer, mehr Kriegsmaterial, ein Strategiewechsel und eine
Ausbildung, die Kriegseinsätze der Bundeswehr möglich
machen, würden verhindern, daß Bundeswehrsoldaten zu
Tode kommen oder afghanische Soldaten von ihren Verbündeten
erschossen werden. Das behaupten aktive und pensionierte
Militärs, Politiker von CDU, FDP, SPD, aber auch der
Grünen und selbst der vermeintliche Anwalt der Soldaten, der
künftige Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus.
Mit diesen Forderungen lügen sich die Kriegsbefürworter
aus ihrer Verantwortung. Sie haben im Dezember 2009 zum achten Mal
den Bundeswehreinsatz in Afghanistan verlängert. Sie haben im
Februar 2010 die deutschen Truppen um 850 auf 5350 Soldaten
erhöht (das sind fast 20 Prozent). Einen angeblichen
Strategiewechsel sollte es geben. Mehr Aufbau statt töten und
zerstören sollte es geben. Wir haben in den Bundestagsdebatten
versucht, den Befürwortern mit Augenzeugenberichten den
Wahnsinn ihrer Entscheidung zu verdeutlichen. Vergeblich.
Von zu Guttenberg sagt, der Krieg sollte jetzt Krieg genannt
werden. Er verschweigt den Verfassungsbruch, den ein Kriegseinsatz
der Bundeswehr bedeutete.
Bei dem Militärspektakel in Seedorf, mit dem die erste von
vier Gruppen Fallschirmjägern in den Krieg geschickt wurden,
sagte der Kommandeur der Division Spezielle Operationen,
Hans-Werner Fritz, nach monatelanger »harter Arbeit«
seien die Soldaten professionell ausgebildet worden, »um
bestmöglich vorbereitet in den Einsatz zu gehen«. Hat er
die jungen Leute und die Öffentlichkeit belogen?
Wahrscheinlich 140 Zivilisten wurden bei einem gezielten
Bombenabwurf bei Kundus getötet. Auch hier: vertuschen,
verschweigen und Verantwortung abschieben.
Schritt für Schritt werden Ursache und Begründungen
für den Militäreinsatz in Afghanistan – das Land
befrieden und wieder aufbauen, Schulen und Brunnen bauen –
außer Dienst gestellt. Der Krieg emanzipiert sich von den
Zivilisten, die ihn möglich machten, und kommt zu sich selbst
mit allen Konsequenzen: Kriege (ver-)brauchen mehr Menschen und
mehr Material, machen Rüstungskonzerne reich und sichern
Herrschaft.
Die Opfer dieser Kriegstreiberei: Tote Zivilisten und Soldaten,
zerstörte zivile Strukturen. Wer das weiterhin tut, der nimmt
noch mehr tote Bundeswehrsoldaten billigend in Kauf! Nicht sie
stellen sich schützend vor die Soldaten, sondern ver …,
verdrücken sich.
Die Mehrheit der Bundesbürger hat diese militärische
Sackgasse erkannt, will Menschenleben schützen und den
Bundeswehreinsatz in Afghanistan beenden. Eine Mehrheit im
Bundestag mißachtet diesen Willen seit Jahren. Schluß
damit! Wir fordern den Abzug der Bundeswehr noch in diesem Jahr,
damit ein ziviler Aufbau Afghanistans möglich wird.
https://www.jungewelt.de/artikel/142797.kriegsbefürworter-lügen-sich-aus-der-verantwortung.html