03.04.2010 / Aktion / Seite 16
»junge Welt wird eingestellt.«
»Wer hat die junge Welt umgebracht?«
Dietmar Koschmieder
Diese zwei Sätze stammen aus der jungen Welt vom 6. April
1995. Einen Tag zuvor erfuhr die Belegschaft der jW übers
Radio, daß die damaligen Eigentümer die Einstellung der
1947 gegründeten Zeitung beschlossen hatten. Sogar die
ARD-Tagesschau berichtete über das Ableben der jungen
Welt.
Für den damaligen Chefredakteur unserer Zeitung, Oliver
Tolmein, und den publizistischen Berater Hermann L. Gremliza lag
die Hauptursache für die Einstellung in der Einstellung der
Linken: »Zum eisernen Bestand des linken Geredes gehört
die Klage über das Monopol der Bürgerpresse und daß
abweichende Meinung und Information keine Chance auf
Öffentlichkeit hätten. Die neue junge Welt (…) hat
der Linken dieses Landes die Chance gegeben. Ihr Mißerfolg
läßt nur den Schluß zu: Entweder gibt es eine
zahlenmäßig nennenswerte Linke nicht mehr, oder sie
zieht das Klagen über miese Verhältnisse dem Handeln zu
deren Veränderung vor. Ich fürchte, die Wahrheit liegt in
der Mitte. (…) Keiner kann gezwungen werden, eine Zeitung
für Leute zu machen, die es nicht gibt oder die keine
wollen«, meinte Gremliza auf Seite zwei der jW vom 6. April
1995– unter der Überschrift »Wer hat die junge
Welt umgebracht?«
Weil aber auch keiner gezwungen werden kann, den Kampf aufzugeben,
nur weil Erfolgsaussichten mies und die meisten die Flinte bereits
ins Korn geworfen haben, gab es harte Verhandlungen mit den
Alteigentümern und schließlich die Übernahme der
angeschlagenen jungen Welt durch den speziell dazu gegründeten
Verlag 8. Mai GmbH. Es war übrigens ausgerechnet Gremliza, der
Mut zum Weiterarbeiten machte. Eine erste vierseitige Ausgabe unter
den neuen Bedingungen erschien dann am Gründonnerstag, dem
13.April 1995, die zweite am Ostersamstag, dem 15.April 1995
– »Wir machen unsere Wunder selber«, schrieben
wir selbstbewußt. Seit Dienstag, dem 18.April 1995, erschien
dann die junge Welt wieder regulär. Die Neuetablierung war
aber erst am 7.Oktober 1995 abgeschlossen: An diesem Tag fand die
Gründungsversammlung unserer Genossenschaft LPG junge Welt eG
statt.
Das alles ist 15 Jahre her. Die Linke ist immer noch schwach. Und
selbst von diesem kleinen Haufen kennen viele die junge Welt nicht.
Der Kampf geht also nicht nur um inhaltliche Positionen und
journalistische Qualität: Um existieren zu können,
braucht die jW eine gesicherte Ökonomie. Diese Zeitung wird
nicht von Kirchen, Banken, Parteien, reichen Sponsoren oder
großen Anzeigenkunden finanziert. Sondern von ihren
Leserinnen und Lesern. Deshalb bleibt nur der Weg, möglichst
viele Abonnements einzuwerben. Und da uns auch weiterhin die
Millionen für normale Werbekampagnen fehlen, brauchen wir die
Unterstützung all jener, die diese Zeitung mit Genuß und
Erkenntnisgewinn lesen.
Deshalb wünschen wir uns von Ihnen ein Geburtstagsgeschenk:
Werben Sie 15 Testleser. Bieten Sie 15 Menschen aus Ihrer Umgebung
ein Probeabo der jungen Welt an. Ob Sie oder die Testleser sich an
den Kosten beteiligen, kann frei entschieden werden. Wichtig ist,
daß wir die Genehmigung bekommen, nach drei Wochen Probelesen
anrufen und nach Zustellung, Inhalt und Abo fragen zu dürfen.
Warten Sie nicht, bis Sie 15 Adressen gesammelt haben–
schicken Sie uns besser drei mal fünf Adressen. Damit
stärken wir gemeinsam die junge Welt. Und die Linke im
Lande.
Letztlich sind auch die vergangenen 15 Jahre junge Welt ein Gewinn.
Der Erfolg der Zeitung läßt nur den Schluß zu,
daß es eine zahlenmäßig nennenswerte Linke gibt,
die nicht so schnell aufgibt und konkretes Handeln zur
Veränderung schlechter Verhältnisse dem Jammern über
sie vorzieht. Zahlenmäßig nennenswert heißt aber
noch lange nicht genug.
https://www.jungewelt.de/artikel/142274.junge-welt-wird-eingestellt.html