Der Bundessprecherrat der Parteiströmung
»Sozialistische Linke« verurteilt alle Versuche,
Hermann Dierkes, den Fraktionsvorsitzenden der Linken im Rat der
Stadt Duisburg, als Antisemiten zu diffamieren. jW dokumentiert in
Auszügen eine von Harri Grünberg erarbeitete
ausführliche Stellungnahme:
Die Linke weist die Angriffe der Medien und auch innerparteilicher
Kritiker auf Herrmann Dierkes zurück, dem erneut wegen seiner
Israel-kritischen Äußerungen Antisemitismus vorgeworfen
wird. Die Unterstellung, Herrmann Dierkes sei Antisemit, ist infam,
ebenso wie der Vorwurf, er leugne den Holocaust. Zeitnah zu den
Wahlen in NRW wird diese Kampagne lanciert, um der Partei Die Linke
zu schaden. Sie zielt darauf ab, den Einzug der Linken in das
Landesparlament von Nordrhein-Westfalen zu verhindern.
(...) Die Linke benötigt eine ernsthafte Debatte über
ihre Haltung zum Nahostkonflikt und über ihre Politik zu
Israel. Dies schließt die Debatte mit den Positionen von
Herrmann Dierkes und vieler anderer über die Frage von
Einstaatlichkeit oder Zweistaatlichkeit ein. Sie ist keine
bloße deutsche Randdebatte, sondern sie wird auch aktuell in
Teilen der israelischen und in größeren Teilen der
palästinensischen Linken geführt.
Kern dieser Debatte ist: Soll es neben dem Staat Israel einen
palästinensischen Staat geben, oder hat sich diese Perspektive
durch die Fakten, die 44 Jahre militärischer Besetzung der
Westbank durch Israel hervorgebracht haben, überholt in dem
Sinne, daß nur noch ein gemeinsamer binationaler Staat von
Juden und arabischen Palästinensern zukunftsfähig
wäre? Diese Perspektive mag falsch oder aber auch richtig
sein, darüber muß man ernsthaft und solidarisch
miteinander diskutieren. Die geltende Beschlußlage der Partei
Die Linke und ihrer Bundestagsfraktion ist die Zweistaatlichkeit.
(…)
Die Linke steht zur Existenz Israels. Außerdem ist sie der
Auffassung, daß Deutschland eine besondere Verantwortung
gegenüber Israel hat. Aber neben Israel muß es einen
palästinensischen Staat geben, der über ein
zusammenhängendes Territorium verfügt und
lebensfähig ist, und der friedlich neben Israel existiert. Mit
der gegenwärtigen Regierung Israels ist dies noch viel
schwieriger als zuvor zu erreichen. Die israelische Tageszeitung
Haaretz stellt fest, daß es in Israel noch nie eine
vergleichbar rechte Regierung wie die gegenwärtige gegeben
hat. Netanjahu mit seinen beiden extremistischen Koalitionspartnern
ist gegenwärtig dabei, massiv die Rechte der
arabisch-israelischen Staatsbürger, die 20 Prozent der
Bevölkerung ausmachen, einzuschränken. Rechte Politiker
wollen der arabischen Minderheit des Landes das aktive und passive
Wahlrecht entziehen. Nach Auffassung Liebermanns muß man die
arabischen Israelis aus dem Staat Israel ausgliedern. Die Politik
der Rechten ist durch Rassismus gegen die Palästinenser
motiviert.
Aber auch die demokratischen Rechte der jüdischen
Bevölkerung stehen auf dem Spiel. So plant die rechte
Regierung ein Gesetz, das den zahlreichen
Menschenrechtsorganisationen in Israel verbieten soll, für
ihre Projekte Unterstützungsgelder aus dem Ausland,
vornehmlich Mittel der Europäischen Union, entgegenzunehmen.
Ihre Unterstützung für den Bericht der
Goldstone-Kommission steht unter Beschuß und wird als
antipatriotische Nestbeschmutzung diffamiert. Schritt für
Schritt werden demokratische und fortschrittliche Kräfte in
Israel aus dem politischen Leben hinausgedrängt. (...)
Zu unserer Politik gehört auch eine scharfe Verurteilung der
Raketenangriffe von Hamas auf israelisches Territorium. (...)
Der Vorwurf des Antisemitismus an Die Linke hat die Funktion,
kritische Positionen der Linken zur aktuellen Politik Israels zum
Verstummen zu bringen. Das neokonservative israelische
Reut-Institut aus Herzliya rät dazu, auf internationaler Ebene
eine Diffamierungskampagne gegen die zahlreichen linken Kräfte
zu betreiben. Gerne wird der Vorwurf des linken Antisemitismus von
den bürgerlichen Parteien und den Medien in Deutschland
aufgegriffen. Es handelt sich hierbei um die gleichen Medien, die
ansonsten keine Berührungsprobleme mit rechten Politikern und
Regierungen weltweit haben und nach Bedarf selbst fremdenfeindliche
Kampagnen schüren.
Leider werden diese Diffamierungskampagnen mit dem Vorwurf des
Antisemitismus auch von Mitgliedern und Funktionsträgern der
Partei Die Linke bedient. Die Gleichsetzung von Kritik
gegenüber der israelischen Regierungspolitik mit Antizionismus
und Antisemitismus wird insbesondere von einer politischen
Strömung betrieben, die sich selbst zur Tradition linker
Politik zählt. Diese Strömung hat auch innerhalb der
Partei Die Linke einen Ableger in Form von BAK Shalom. BAK Shalom
präsentiert sich in der Öffentlichkeit mit zwei
Kernthemen: der Solidarität mit Israel und mit einer
denunziatorischen Kampagne gegen Vertreter der Linken, die Kritik
an der Politik Israels üben. Solche werden des Antisemitismus
bezichtigt. Jüdische und israelische Linke distanzieren sich
scharf von dieser Gruppierung. Deshalb sind mittlerweile auch
jüdische und israelische Linke ins Fadenkreuz der Attacken von
BAK Shalom und der sich als »antideutsch« gerierenden
Gruppierungen geraten. BAK Shalom demonstriert mehr Nähe zum
rechten politischen Establishment Israels als zur israelischen
Linken und der israelischen Friedensbewegung. Eines ihrer
führenden Mitglieder, Benjamin Krüger, tritt häufig
in der neokonservativen englischsprachigen israelischen
Tageszeitung Jerusalem Post als Kronzeuge gegen die Linke auf. Die
Jerusalem Post ist ein beliebtes Organ der Siedlerbewegung in
Israel. (...)