23.03.2010 / Betrieb & Gewerkschaft / Seite 15
Daimler hat gewählt
Karl Neumann
Stuttgart. Die Betriebsratswahlen beim Autobauer Daimler sind
abgeschlossen. An den meisten Standorten hat die IG Metall dabei
gut abgeschnitten. So auch in der Stuttgarter Konzernzentrale, wo
die Gewerkschaftsliste mit ihrem rührigen Spitzenkandidaten
Jörg Spies 19 der 39 Mandate und damit erneut die Mehrheit
erringen konnte. In der Verwaltung mit ihren eher
gewerkschaftsfernen Angestellten ist das alles andere als
selbstverständlich. Die IG Metall mußte sich hier sieben
»unabhängigen« bzw. »christlichen«
Konkurrenzlisten erwehren, setzte sich aber dennoch durch.
Ein Eigentor hatte zuvor die »Christliche Gewerkschaft
Metall« (CGM) geschossen, die wegen einer angeblich falschen
Wahlausschreibung vors Arbeitsgericht gezogen war. In erster
Instanz wurde zwar entschieden, daß statt 39 nur 37
Betriebsräte gewählt werden dürften, das
Landesarbeitsgericht revidierte dies jedoch sofort. Dafür,
daß sie beinahe für eine Verkleinerung der
Beschäftigtenvertretung gesorgt hätte, wurde die CGM
abgestraft: Sie erhielt lediglich zwei Sitze.
Während in der Konzernzentrale traditionell verschiedene
Listen kandidieren, gibt es anderswo Persönlichkeitswahl, bei
der einzelne Kandidaten angekreuzt werden. So zum Beispiel bei
Daimler in Bremen, wo sämtliche der 39 Gewählten der IG
Metall angehören. Auch eine Persönlichkeitswahl
schließt allerdings Konflikte nicht aus. Die Stimmung im
Vorfeld der Abstimmung sei »heftig polarisiert«
gewesen, berichtet Betriebsratsmitglied Gerhard Kupfer auf
jW-Nachfrage. Hintergrund ist die Unzufriedenheit eines Teils der
Belegschaft mit einer kürzlich getroffenen Vereinbarung zur
»Beschäftigungssicherung«, die betriebsbedingte
Kündigungen nicht definitiv ausschließt (jW berichtete).
»Ich habe noch nie erlebt, daß sich die Leute so genau
informiert haben, welche Kandidaten wofür stehen«, sagt
Kupfer, der in einem linken Kollegenkreis aktiv ist. Die Ergebnisse
fast aller linken Kandidaten haben sich verbessert, weshalb Kupfer
feststellt: »Die Linke geht gestärkt aus dieser Wahl
hervor.«
Nicht behaupten kann man das für den Standort Kassel. Anders
als vor vier Jahren gab es hier in diesem Jahr Listenwahl.
»Für uns war das definitiv ein Nachteil«, meint
Erich Bauer von der Gruppe »Alternative«. 2006
erreichte diese über Persönlichkeitswahl noch sechs,
dieses Mal nur vier Sitze. Einen Grund sieht Bauer in der aktuellen
Krise: »Da wird viel mit dem Faktor Angst gespielt, damit die
Leute trotz aller Kritik doch wieder die vermeintlich sichere Bank,
die IG Metall wählen.«
https://www.jungewelt.de/artikel/141571.daimler-hat-gewählt.html