01.03.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Offener Brief: »Kontroverse verhindert«
Die Entscheidung der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung,
dem US-Politikwissenschaftler und Kritiker der israelischen
Politik, Norman Finkelstein, eine lange geplante
Vertragsveranstaltung in Berlin zu verwehren, hat Stipendiaten und
Exstipendiaten der RLS zu einem Protestschreiben
veranlaßt:
Lieber Heinz Vietze, lieber Florian Weis,
mit Empörung und Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen,
daß ihr die Raumzusage für Professor Norman Finkelstein
in der Rosa-Luxemburg-Stiftung zurückgenommen habt.
(...)
Schon bei der letzten Ferienakademie gab es massive Konflikte um
den Nahen Osten – die Einladung von Sebastian Voigt, Stephan
Grigat und Thomas von der Osten-Sacken wurde von vielen Stimmen als
einseitig und dem Charakter der Rosa-Luxemburg-Stiftung als linker,
pazifistischer Stiftung nicht entsprechend kritisiert. Damals wurde
die Einladung, trotz massiver Proteste – auch seitens der
Stipendiatinnen und Stipendiaten der RLS – nicht
zurückgenommen.
Damit wurde einer einseitigen Haltung im Nahostkonflikt im Rahmen
der Rosa-Luxemburg-Stiftung Raum gegeben. Nun wurde sogar einem
Kritiker der israelischen Regierung Zutritt zu den Räumen der
RLS verwehrt. Damit wurde eine plurale Kontroverse zu dem Thema
verhindert. Wir nehmen dies als einseitige Parteinahme wahr. Das
kritisieren wir als Stipendiatinnen und Stipendiaten aufs
Schärfste.
Wir wissen, daß Norman Finkelsteins Positionen nicht
unumstritten sind – aber darum geht es hier nicht. Dem Druck
derer nachzugeben, die Finkelstein – dessen Eltern in den
Konzentrationslagern der Faschisten gelitten haben – de facto
zu einem Antisemiten erklären, halten wir aber für
fatal.
Wenn die RLS weiterhin Kritik an der israelischen Regierungspolitik
im Rahmen der Stiftung verhindert, läuft sie Gefahr, ihren
Charakter als Ort linker Auseinandersetzungen und Kontroversen zu
verlieren.
Mit solidarischen Grüßen
Tobias Pflüger, Katharina Dahme, Claudia Haydt, Sascha
Wagener, Mike Nagler, Sophie Dieckmann, Daniel Behruzi, Friederike
Benda, Florian Wilde, Sebastian Zehetmair, Marcel Bois, Jenny
Morín Nenoff, Norbert Müller, David Noack, Marwa
Al-Radwany, Kai Kretzschmar, Simon Zeise, Claudia Sprengel, Serap
Balli, Malte Fiedler, Julia Dück, Jens Wernicke, Jannis
Chasoglou, Teresa Zeckau, Cano Turan, Pia Probst, Ernesto Klengel,
Pazhareh Heidari, Kevin Reißig, Sarah Nagel, Reinhold
Uhlmann, Jens Gaitzsch, Lev Lhommeau, Robert Blättermann, Ole
Vincent Guinand
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