30.01.2010 / Ausland / Seite 7
Nach dem Erdbeben: Haitis Hauptstadt soll umziehen
Port-au-Prince. Haitis Präsident René Préval
will die durch das Erdbeben vom 12. Januar zu mehr als 70 Prozent
zerstörte Hauptstadt Port-au-Prince an einen anderen Ort
verlegen, an dem sie vor künftigen Erdbeben sicher ist.
»Es wird die Aufgabe der Fachleute sein, den Ort zu
bestimmen, aber wir werden die Hauptstadt anderswo aufbauen«,
sagte Préval gegenüber Medienvertretern. Zunächst
solle im Norden von Port-au-Prince ein riesiges Auffanglager
für 400000 Menschen entstehen, die durch das Beben obdachlos
geworden sind. Dies könne aber nur eine provisorische
Lösung sein, denn das Land werde wiederaufgebaut. »Haiti
ist nicht tot, unser Volk hat überlebt«, unterstrich der
Staatschef. Zugleich räumte er ein, daß seine Regierung
nach der Katastrophe praktisch von der Bildfläche verschwunden
war: »Die Regierung hat aufgehört zu existieren, aber
nun hat sie sich erholt und arbeitet mit den humanitären
Organisationen zusammen.« Préval verteidigte auch die
US-Truppenpräsenz in Haiti. »Wir befinden uns in einer
außergewöhnlichen Situation und brauchen Hilfe. Ich sehe
wirklich nicht, was das mit unserer Souveränität zu tun
haben soll«, sagte er dem Rundfunksender Radio Metropole.
Seine Regierung habe die USA gebeten, die Kontrolle über den
internationalen Flughafen Toussaint Louverture zu
übernehmen.
Wie erwartet kündigte der Präsident außerdem an,
daß die ursprünglich für den 28. Februar und 3.
März vorgesehenen Parlamentswahlen abgesagt und auf einen
späteren Zeitpunkt verschoben werden.
Unterdessen hat Haitis Premierminister Jean-Max Bellerive
eingeräumt, daß sich in seinem Land nach dem Erdbeben
ein Handel mit Kindern und Organen entwickelt hat. Die Regierung
versuche, die nach dem Erdbeben umherirrenden Waisen aufzufinden
und Angehörigen zu übergeben. Minderjährige
dürften das Land nur verlassen, wenn ihre Adoptionspapiere in
Ordnung sind, unterstrich Bellerive gegenüber dem US-Sender
CNN. Allerdings nutzten kriminelle Banden die chaotische Lage aus:
»Der illegale Kinderhandel ist eines unserer
größten Probleme.«
(jW)
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