22.01.2010 / Feminismus / Seite 15
Hohe Haftstrafe nach »Ehrenmord«
Hagen. Erneut ist in einem Indizienprozeß wegen eines
sogenannten Ehrenmordes eine langjährige Freiheitsstrafe
verhängt worden: Am Dienstag wurde ein 21jähriger aus
Wuppertal für seine Beteiligung an der Ermordung seiner
20jährigen Cousine zu 14 Jahren Haft verurteilt.
Erst am 29. Dezember waren vor dem Landgericht Kleve wegen Mordes
an einer 20jährigen gebürtigen Kurdin deren Vater, ihr
Bruder und ein Bekannter der Familie zu lebenslanger Haft, zu
neuneinhalb Jahren Jugendstrafe und zu siebeneinhalb Jahren
Gefängnis verurteilt worden. Das Gericht hatte es als erwiesen
angesehen, daß der Bruder die junge Frau auf Anweisung des
Vaters getötet hat, weil dieser deren »westlichen
Lebensstil« nicht gebilligt habe. Zu beweisen war dies jedoch
nicht.
Die Hagener Kammer kam am Dienstag zu dem Schluß, daß
der Angeklagte zusammen mit seinem Onkel seine Cousine im August
2008 erschossen hat, um die vermeintlich angegriffene Familienehre
wiederherzustellen. Wer die Schüsse abgab, ist ungeklärt,
weil der Onkel, ein finnischer Staatsbürger, seit der Tat
untergetaucht ist. Das Gericht räumte zugunsten des
21jährigen ein, daß die Spurenlage dagegen spreche,
daß er selbst die Schüsse abgegeben habe. Der junge Mann
hatte vor Gericht erklärt, er sei mit vorgehaltener Pistole
von seinem Onkel zur Beteiligung an der Tat gezwungen worden. Der
Vorsitzende Richter Frank Schreiber erklärte dennoch in der
Urteilsbegründung: »Der gemeinsame Tatentschluß
steht mit Sicherheit fest«. Offenbar hat die berechtigte
Kritik an teilweise milden Strafen nach Morden und Mordversuchen an
Migrantinnen sowie an Mängeln in der Prävention von
»Ehrverbrechen« dazu geführt, daß Teile der
Justiz mittlerweile im Zweifel zu Ungunsten des Angeklagten
entscheiden. (apn/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/138211.hohe-haftstrafe-nach-ehrenmord.html