18.01.2010 / Feuilleton / Seite 12
Rutschky tot
Am Donnerstag starb die Publizistin Katharina Rutschky nach
schwerer Krankheit in Berlin. Nächste Woche wäre sie 69
Jahre alt geworden. Rutschky, die Ende der 70er durch
Popularisierung des Begriffs der »Schwarzen
Pädagogik« bekannt wurde, schrieb lesenswerte Essays
für die bundesdeutschen Feuilletons, meistens ebenso polemisch
wie elegant. Mitte der 90er Jahre mußten ihre
öffentlichen Auftritte teilweise von der Polizei
geschützt werden, weil ebenso aggressive wie geistig schlichte
Gemüter ihre Kritik am Modethema »Sexueller
Mißbrauch«, der damals von vielen Wichtigtuern als das
letzte Geheimnis der bürgerlichen Gesellschaft verhandelt
wurde, nicht ertragen konnten. Zeitgleich wurde auch Wiglaf Droste
unter idiotischen Vorwänden auf seinen Lesungen attackiert,
weil er sich über das Klima der Hysterie, das Rutschky wie der
»Mißbrauch mit dem Mißbrauch« vorkam,
satirisch ausgelassen hatte.
Rutschky charakterisierte sich und ihr Verhältnis zum
bundesdeutschen Feminismus einmal folgendermaßen: »Ist
Feministin in Italien, wohin sie seit zehn Jahren reist, um sich
bei den Philosophinnen der Gruppe Diotima in Verona weiterzubilden
und inspirieren zu lassen. Ist Antifeministin in Deutschland, weil
hier das Niveau des Feminismus politisch und intellektuell
über das private von Alice Schwarzer nicht hinausgekommen
ist.« Und wie zum Hohn auf diese Bemerkung, die sie Springers
Berliner Morgenpost verkaufte, war in den Nachrufen
ausdrücklich davon die Rede, daß sie zu Hause
»sehr toll« (Berliner Zeitung) für Gäste
kochte.
(jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/137950.rutschky-tot.html