18.12.2009 / Schwerpunkt / Seite 3
»...verzichten auf Rache und Vergeltung« für...
In der am 6. August 1950 in Stuttgart-Bad Cannstatt
verkündeten »Charta der Heimatvertriebenen«
heißt es u. a.: »1. Wir Heimatvertriebenen verzichten
auf Rache und Vergeltung«
... für die unter der Herrschaft des »Generalgouverneurs
für die besetzten polnischen Gebiete«, Hans Frank,
exekutierte Mordpolitik, die er am 19. Dezember 1941 in seinem
Diensttagebuch so vermerkte: »(...) Die Juden sind auch
für uns schädliche Fresser. Wir haben im
Generalgouvernement schätzungsweise 2,5, vielleicht mit den
jüdisch Versippten und dem, was alles so dranhängt, jetzt
3,5 Millionen Juden. Diese 3,5 Millionen Juden können wir
nicht erschießen, wir können sie nicht vergiften, werden
aber doch Eingriffe vornehmen können, die zu ihrer Vernichtung
führen, und zwar im Zusammenhang mit den vom Reich her zu
besprechenden großen Maßnahmen. Das Generalgouvernement
muß genau zu judenfrei werden, wie es das Reich
ist.«
»... verzichten auf Rache und Vergeltung«...
... für die Ergebnisse der Polenpolitik Franks, die er in
einem 14seitigen Brief an Hitler am 19. Juni 1943 in neun Punkten
auflistete. Dazu gehörten u. a. die völlig unzureichende
Ernährung, die Beschlagnahme eines großen Teils des
polnischen Grundbesitzes, Massenverhaftungen und
-erschießungen durch die deutsche Polizei, rigorose Methoden
der Arbeitskräfteerfassung, die weitgehende Lahmlegung des
kulturellen Lebens, die Schließung der Mittel-, höheren
und Hochschulen...
»...verzichten auf Rache und Vergeltung«
... für die Polen im Gefolge der faschistischen Raubpolitik
entstandenen Verluste allein an verlorengegangenen
Kulturgütern, die nach einer von der Zeitung Gazeta Wyborcza
veröffentlichten Meldung mehr als 20 Milliarden Dollar (etwa
15 Milliarden Euro) betrugen. Grundlage für den systematisch
durchgeführten Kunstraub war ein »Erlaß des
Führers und Reichskanzlers über die Verwaltung der
besetzen polnischen Gebiete« vom 12. Oktober 1939. Frank
erließ entsprechend am 16. Dezember 1939 eine
»Verordnung über die Beschlagnahme von
Kunstgegenständen im Generalgouvernement«. Deren erster
Paragraph verkündete: »Der gesamte öffentliche
Kunstbesitz wird zur Erfüllung gemeinnütziger Aufgaben
beschlagnahmt, soweit er nicht schon durch die Verordnung des
Vermögens des früheren polnischen Staates innerhalb des
Generalgouvernements vom 15. November 1939 erfaßt ist.«
Darüber hinaus galten laut Erlaß als
»öffentlicher Kunstbesitz« die privaten
Kunstsammlungen und der gesamte kirchliche Kunstbesitz. Kunstbesitz
in diesem Sinne war »mit genauen Angaben über Art,
Beschaffenheit und Stückzahl« anzumelden. Paragraph
fünf bestimmte, daß mit Gefängnis bestraft wird,
»wer es unternimmt, Kunstgegenstände zu verheimlichen,
zu veräußern oder aus dem Generalgouvernement zu
verbringen.« Drohend hinzugefügt war schließlich:
»Zur Aburteilung ist das Sondergericht
zuständig.«
Hans Frank wurde am 1. Oktober 1946 im Nürnberger Prozeß
gegen die Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilt und am 16.
Oktober 1946 hingerichtet.
https://www.jungewelt.de/artikel/136517.verzichten-auf-rache-und-vergeltung-für.html