30.10.2009 / Feuilleton / Seite 13

Ganz besonders

Heute abend spielen S.Y.P.H. eines ihrer ganz wenigen Konzerte, zusammen mit Doc Schoko und Fantas Schimun ab 21 Uhr im Festsaal Kreuzberg, Berlin. S.Y.P.H. kommen in Originalbesetzung – wie vor 30 Jahren in Westberlin, als es mit Punk/New Wave anfing. Damals traten sie mit Male, Mittagspause, Dina-A-Testbild und anderen auf. Die sind seither aufgelöst/verschollen, doch S.Y.P.H. gelten immer noch als sagenumwobener Geheimtip aus dem Märchenland der Genies, Musikveränderer und Provokateure. Weil sie früher ihre kurzen, griffigen Punkhymnen eigentlich gar nicht spielen konnten, flüchteten sie live in Krautrock- und Dub-Improvisationen, die im Laufe der Jahre brillanter wurden. Ihre 1985 erschienene Doppel-LP »Wieleicht« ist so etwas Ähnliches wie das »White Album« der Beatles, S.Y.P.H. wurden zu den einzigen legitimen Nachfolgern von Can, ihren einstigen Vorbildern.

Doc Schoko bezieht sich ebenso auf S.Y.P.H. wie auf The Fall und Bo Diddley. Über ihn hieß es einmal in dieser Zeitung, daß er keinen Revivalismus, Avantgardismus oder Traditionalismus verfolge, sondern den Alltag – »nicht, um ihn festzusetzen, sondern um ihn endlich hinter sich zu lassen«. Linke Texte, die nicht peinlich sind. Lieder, die nicht blöd sind. Doc Schoko ist von erhabener Freundlichkeit, klug, melodiös und mitreißend. Er stellt seine langerwartete neue Platte »schlecht dran/gut drauf« vor. Das Debütalbum der Wiener Sängerin Fantas Schimun erscheint im Januar auf »ZickZack« – gleich zwei Platten auf Vinyl: »Variationen über die Freiheit eines anderen« und »Der Himmel ist blau, vielleicht. Ein Alptraum in Stereo.« Wer sich auf den Wohlklang ihrer Musik einläßt, muß auf dessen Zerstörung gefaßt sein, wer sich über Brüche und Verzerrungen freut, könnte von Momenten reiner Schönheit überrumpelt werden. Auf jeden Fall werden beide Seiten lange nachklingen. (jW)
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