30.10.2009 / Schwerpunkt / Seite 3
Überblick: Jahrzehnte der Gewalt
Kolumbien kommt seit mehr als sechs Jahrzehnten nicht zur Ruhe. Als
Beginn der Gewalt gilt die Ermordung des linksliberalen
Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliécer Gaitán
am 9.April 1948. Die Wut der Bevölkerung über den Tod des
Hoffnungsträgers entlud sich in einem Volksaufstand, der als
»Bogotazo« in die Geschichte einging.
In den 50er und 60er Jahren schlossen sich immer mehr Bauern zu
Selbstverteidigungsgruppen zusammen, um sich auch mit Waffengewalt
gegen die immer häufigeren Übergriffe durch die
Großgrundbesitzer zu wehren. Diese hatten Killerkommandos
gegründet, die in den ländlichen Gebieten Angst und
Schrecken verbreiteten.
Während diese Truppen der Großgrundbesitzer, die als
Wurzel der erst Jahrzehnte später offiziell gegründeten
Paramilitärs gelten, auf das Wohlwollen der verschiedenen
Regierungen in Bogotá zählen konnten, wurde die
Selbstorganisation der Bauern als Versuch einer Abspaltung von
Kolumbien diffamiert und von der Armee massiv angegriffen. Aus den
von Manuel Marulanda geführten Widerstandsgruppen der Bauern
entstanden die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens
(FARC). In den späten 60er Jahren gründeten sich unter
dem Eindruck der Kubanischen Revolution weitere Guerillagruppen,
von denen die heute noch aktive Nationale Befreiungsarmee (ELN) die
bedeutendste war.
Mehrere Versuche, eine friedliche Lösung des
Bürgerkrieges zu erreichen, sind gescheitert. Mitte der 80er
Jahre schlossen die FARC und die Regierung ein Abkommen, durch das
sich die Guerilla in das zivile Leben eingliedern sollte. Die FARC
legte die Waffen nieder und gründete die Patriotische Union
(UP). Doch die Mitglieder und Funktionäre der Partei wurden zu
Tausenden ermordet. Als Regierungstruppen dann am 9.Dezember 1990
das Hauptquartier der FARC bombardierten, kehrte die Guerilla zum
bewaffneten Kampf zurück. (scha)
https://www.jungewelt.de/artikel/133872.überblick-jahrzehnte-der-gewalt.html