20.10.2009 / Feuilleton / Seite 13
Buchmesse zum letzten
Ein Sprecher der am Sonntag beendeten Frankfurter Buchmesse, Thomas
Minkus, hat den leichten Besucherrückgang (um vier Prozent)
damit begründet, daß 2008 die Türkei das Gastland
war und viele Türken in Deutschland leben. Vom Auftritt des
diesjährigen Gastlands China hat Minkus »eine relativ
reibungslose Kommunikation« in Erinnerung. »Verlage aus
aller Welt haben so viele Lizenzabschlüsse getätigt wie
schon lange nicht mehr«, sagte er, und wies auf den
Löwenanteil der Chinesen hin, deren Verlage nach Angaben des
Delegationsleiters Zhang Fuhai an den fünf Messetagen
ungefähr 2000 Lizenzverträge unterschrieben haben.
Reibungen gab es am Wochenende mit einer Dissidentin des
Gastlandes. Sie führten am Montag zur Entlassung eines
leitenden Angestellten. Gekündigt wurde dem Leiter des
Internationalen Zentrums (IZ) der Messe, Peter Ripken.
Begründung: »anhaltende
Abstimmungsschwierigkeiten« mit Ehrengästen, namentlich
der Dissidentin Dai Qing. In der Frankfurter Rundschau vom Montag
beklagte sich Dai Qing über ein Redeverbot, das Ripken ihr
eine Viertelstunde vor der Abschlußveranstaltung des IZ
erteilt habe, unter Berufung auf den Mitveranstalter
Auswärtiges Amt. Ripken wies das in derselben Zeitung
zurück. »Vor 14 Tagen war einmal die Rede davon gewesen,
daß sie vielleicht sprechen solle.« Aber um das
Gastland sei es nicht gegangen. »Und Dai Qing hat mit
internationaler Kulturpolitik ja nichts zu tun.« Es sprachen
auf dem Empfang schließlich Max Maldacker vom Referat
Kulturprojekte des Auswärtigen Amtes und die südindische
Verlegerin Kaveri Lalchand.
Sie sprachen nicht über die Wirtschaftskrise, wenn man dem
Sprecher Minkus trauen kann. Auf der Messe hat ihm zufolge
nämlich »niemand über die Wirtschaftskrise
gesprochen«.
Daß überhaupt alle wichtigen Themen vermieden wurden,
hat der Verleger Egon Ammann in der FAZ am Montag konstatiert:
»Eine vornehm zurückhaltende Diplomatie hat Einzug
gehalten, ganz mit der Gegenwart beschäftigt. Die
leidenschaftlichen Debatten um politisches Engagement wie um
literarische Foren fehlen. Aus den Wilden von einst sind Direktoren
geworden.« Alles drehe sich um Bestseller, Verkaufszahlen,
Strukturbereinigungen und getätigte Abschlüsse. Der 1981
gegründete Schweizer Ammann Verlag stellt 2010 seine
Tätigkeit ein und war in diesem Jahr das letzte Mal auf der
Buchmesse vertreten.
Zum Gastland 2010 wurde am Sonntag Argentinien erklärt.
(ddp/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/133296.buchmesse-zum-letzten.html