17.10.2009 / Aktion / Seite 16
Feinde haben wir genug
Bürgerliche und Kryptokommunisten vereint im Kampf gegen junge Welt
Dietmar Koschmieder
Warum Sie die junge Welt unterstützen sollten, erkennen Sie
auch daran, wer so alles zu den Feinden dieser frechen Zeitung
zählt. So klagte Reiner Burger, Mitarbeiter der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung (FAZ), gegen die jW. Weil sie es wagte, seine
eigenartige Hofberichterstattung zum Thema Sachsensumpf scharf zu
kritisieren. In zweiter Instanz mußte er sich
schließlich vom Oberlandesgericht Hamburg sagen lassen,
daß die junge Welt lediglich das grundgesetzlich verbriefte
Recht der freien Meinungsäußerung wahrgenommen hat.
Mittlerweile wurde Burger nach Nordrhein-Westfalen versetzt. In der
FAZ vom 14.Oktober kann nun jeder dessen eigenartiges
Verfassungsverständnis nachlesen. Burgers Beitrag über
den Programmentwurf der Partei Die Linke in NRW endet mit folgender
Analyse: »Mit ihrem Programmentwurf widerspricht die Linke in
Nordrhein-Westfalen dem Geist des Grundgesetzes, der
antitotalitär und antiextremistisch, also zugleich auch
antinationalistisch und antikommunistisch ist.« Daß
solch ein dämlicher Satz in Deutschlands führender
Bürgerzeitung überhaupt möglich ist, zeigt ein
weiteres Mal den Verfall bürgerlicher Kultur. Früher
waren dort Erkenntnisse eines Thomas Mann möglich, nach der
der Antikommunismus die Grundtorheit der Epoche sei. Heute bleibt
davon die Burgersche Erkenntnis, daß der Geist des
Grundgesetzes antikommunistisch sei. Kommunisten wirkten
bekanntlich an der Erarbeitung des Grundgesetzes mit. Sie stimmten
ihm schließlich nicht zu, weil mit seiner Verabschiedung die
Teilung Deutschlands manifest wurde. Aber sie prophezeiten schon
damals, daß Kommunisten eines Tages dieses Grundgesetz gegen
jene verteidigen werden, die es verabschiedet haben.
Burger ist in der bürgerlichen Medienlandschaft kein
Einzellfall. Der Autor Sven Felix Kellerhoff wirft in der Zeitung
Die Welt vom 13. Oktober junge Welt vor, die Demokratie zu
diffamieren, weil sie die Wahrheit schreibt. In seiner Rede zur
»Deutschen Revolution von 1989« hat
Bundespräsident Horst Köhler gleich mehrfach die
Unwahrheit gesagt. junge Welt titelte am 12. Oktober:
»Köhler lügt«. Zwar muß auch Kellerhoff
zugeben, daß es »einige tatsächlich unzutreffende
Sätze« des Präsidenten gibt, um dann trotzdem
festzustellen: »Doch es ist hierzulande nicht üblich,
den Bundespräsidenten offen zu beschimpfen. Solche
Zurückhaltung gegenüber dem höchsten
Repräsentanten der Demokratie ist der jungen Welt allerdings
fremd.« Zumindest ist jW bisher davon ausgegangen, daß
es sich bei diesem Herrn um den höchsten Repräsentanten
des deutschen Staates handelt. Dann beschimpft Die Welt offen die
junge Welt. Das darf sie, denn dabei handelt es sich ja auch nur um
ein ungeschütztes demokratisches Medium und nicht um einen
geschützten höchsten Demokraten: Die jW sei laut
Verfassungsschutzbericht linksextremistisch, sie gelte als
Stasi-Kreisen nahestehend (bei wem sie das gilt, steht da
natürlich nicht, aber dazu können wir Ihnen
anschließend Hinweise geben), Chefredakteur Schölzel,
der »schwere Vorwürfe gegen den Bundespräsidenten
erhob«, sei jahrelang IM Holzer gewesen. Lüge darf man
bei seiner Majestät nicht sagen. Auch und gerade wenn sie
lügt, sonst zieht man den Unwillen der Welt auf sich. Aber wie
nennt man das dann, wenn ihro Durchlaucht »unzutreffende
Sätze« sagt? Oder ist ER gar unfehlbar? All diese Fragen
beantwortet Kellerhoff im Schlußsatz seines Beitrages:
»Das Mißverständnis ist für sie [junge Welt,
die Red.] offenkundig eine Vorlage, um die Demokratie zu
diffamieren.« Kurzum, wer die Wahrheit sagt, diffamiert die
Demokratie, wenn er das in einer linken Tageszeitung tut. Aber wer
lügt, unterliegt lediglich einem
»Mißverständnis« – wenn es der
Bundespräsident ist, der lügt.
Lüge nennen wir Lüge, denn es ist, frei nach Rosa
Luxemburg, die Aufgabe des Redakteurs, zu sagen, was ist. Anders
verhält es sich, wenn unsachliche Beschimpfung die Analyse
ersetzen soll. Ein Herr J. Strütt von Gegendieströmung.
Organ für den Aufbau der Revolutionären Kommunistischen
Partei Deutschlands, versuchte immer mal wieder, dafür
Redaktionsfläche in junge Welt aufzukaufen. Nicht immer ohne
Erfolg, was wir selbstkritisch anmerken möchten. Denn
eigentlich verkaufen wir Anzeigen und keine Redaktionsfläche,
auch wenn sie sich als Anzeige tarnen. Sonst könnten
Organisationen und Personen mit ausreichend materiellem Hintergrund
sehr leicht eine Zeitung dominieren.
Man kann ohne weiteres viele kritische Punkte an unserer Arbeit
oder an der der Gewerkschaftsführung oder an der von Oskar
Lafontaine finden. Plumpe Beschimpfungen ersetzen allerdings keine
Argumentation, und deshalb wollen wir unsere Leserinnen und Leser
vor ersteren verschonen. Zum Beispiel vor solchen Texten:
»Das ganze Ausmaß der Korruptheit, der
Charakterlosigkeit und des verbrecherischen Potentials der
DGB-Führung kann wenigstens in Ansätzen verdeutlicht
werden...« Oder wenn Oskar Lafontaine als
»deutschnationaler Chefdemagoge« und
»pseudolinker Rechtspopulist« angepinkelt werden soll.
Sowas trägt nichts zur Aufklärung bei. Jedenfalls sind
wir nicht verpflichtet, alles, was man uns so anbietet, auch
abzudrucken. Diesen schlichten Umstand können J. Strütt
und seine Organisation nun gar nicht akzeptieren. Deshalb hat man
sich für die schändliche Behandlung durch junge Welt
gerächt: In Frankfurt am Main wird in diesen Tagen gezielt bei
Veranstaltungen und auf der Buchmesse eine von ihnen erstellte
gefälschte junge Welt verteilt. Sie enthält jede Menge
dummes Zeugs und schreckt auch vor plumper Lüge nicht
zurück. Wenig überraschend ist der Umstand, daß
viele der Angriffe der beleidigten Leberwürste um Strütt
gegen junge Welt wie von den Bürgerlichen abgeschrieben
wirken. Während Die Welt im obengenannten Beitrag über
junge Welt behauptet, sie gelte als Stasi-Kreisen nahestehend,
reden die Dumpfbacken von Gegendieströmung mal so richtig
Tacheles: »langjährige Dominanz von SED- und
Ex-DDR-Staatssicherheitsfunktionären, auch personell
eindeutig«. Die Belege sind schwerwiegend: Die Welt wirft
junge Welt im oben erwähnten Beitrag vor, Egon Krenz zu Wort
kommen zu lassen. Die Turbokommunisten enthüllen mit dem Strom
schwimmend: »Der ehemalige Regierungschef der DDR und
SED-Vorsitzende Egon Krenz hatte in junge Welt ebenfalls als Autor
seinen Platz.« Undsoweiterundsofort.
Und das alles nur, weil wir eine Anzeige nicht veröffentlicht
und einen Beileger nicht beigelegt haben? Vielleicht kann ja der
Strütt mal bei den Kollegen von der Welt anklopfen, ob er da
mitmachen darf, wenn es mit seinem Projekt nichts wird. Aber
vorläufig braucht man ihn und seine Genossen dann doch noch
eher auf der anderen Baustelle.
Feinde haben wir also genug, helfen Sie uns, neue Freunde zu
finden. Vermitteln Sie möglichst vielen Menschen aus Ihrer
Umgebung durch ein Dreiwochenabo die Bekanntschaft mit junge Welt.
Es bedarf manchmal auch ein wenig Aufwand, die Pressefreiheit zu
verteidigen. Je mehr Leserinnen und Leser wir haben, desto besser
können wir uns gegen Angriffe wehren.
https://www.jungewelt.de/artikel/133174.feinde-haben-wir-genug.html