Zum Ergebnis des EU-Referendums in Irland erklärt Lothar
Bisky, Vorsitzender der Partei Die Linke und der Partei der
Europäischen Linken, Fraktionsvorsitzender der
GUE/NGL-Fraktion im Europäischen Parlament:
Die Linke in Europa hat sich immer für verbindliche Referenden
über den »Reformvertrag« in allen Mitgliedstaaten
eingesetzt. Die Wählerinnen und Wähler in Irland hatten
als einzige die Möglichkeit, ihre Entscheidung direkt zu
treffen. Wir haben stets betont, das Ergebnis des ersten
Referendums – die Ablehnung des Vertrages – muß
respektiert werden. Im von der Regierung in Dublin und unter dem
Druck der anderen EU-Staaten unter Mißachtung demokratischer
Bürgerentscheidungen durchgesetzten zweiten Referendum hat nun
eine Mehrheit ihre Zustimmung gegeben. Auch diese Entscheidung der
irischen Bürgerinnen und Bürger haben wir zu
respektieren. Die Zahl der Nein-Stimmen zeigt jedoch die Sorge
eines großen Bevölkerungsteils über die politische
Ausrichtung der EU.
Unsere scharfe Kritik am Lissabon-Vertrag gilt nach wie vor. Mit
dem Vertrag wird das Ziel der »Marktwirtschaft mit freiem
Wettbewerb« weiterverfolgt. Die darauf aufbauende Politik der
Liberalisierung von Finanzmärkten, Steuerwettbewerb,
Abkopplung der Finanz- von der Wirtschaftspolitik und Rückbau
des Sozialstaates hat zur Wirtschafts- und Finanzkrise und zur
Ausweitung von Armut und Ungleichheit geführt. Daneben
forciert der Lissabon-Vertrag mit der Forderung an die
Mitgliedstaaten, »ihre militärischen Fähigkeiten
schrittweise zu verbessern«, mit der Erhebung einer
Rüstungsagentur in das EU-Primärrecht und der
Erleichterung weltweiter militärischer Missionen die
aggressive Durchsetzung europäischer Interessen.
Wer in Europa für Aufrüstung wirbt, gilt als Freund
Europas. Wer in Europa um Abrüstung ringt, gilt als Feind
Europas. Das ist eine neoliberale Perversion politischen
Denkens.
Gerade die Linke in Europa ist gefordert, dieser Entwicklung
entgegenzuwirken. Mit unseren Partnern in Gewerkschaften,
Nichtregierungsorganisationen und anderen progressiven Parteien
werden wir weiterhin die ernsthafte gesellschaftliche Debatte um
die Zukunft einer Europäischen Union führen, die die
Interessen der Menschen vertritt. Im Europäischen Parlament
wird sich die GUE/NGL-Fraktion nachdrücklich für ein
soziales Europa mit EU-weit gültigen Mindestlöhnen
einsetzen und für eine soziale Fortschrittsklausel im
EU-Primärrecht. Wir streiten für eine friedliche
Außenpolitik, Abrüstung und nichtmilitärische
Konfliktbeilegung, für eine solidarische und faire
Weltwirtschaftsordnung und für eine strikte Kontrolle der
Finanzmärkte.