25.09.2009 / Thema / Seite 10
Zankapfel MoA-AD
1997 begannen erste Waffenstillstandsgespräche zwischen
Vertretern der philippinischen Regierung und der Moro Islamischen
Befreiungsfront (MILF), die ab 2001 zu Friedensverhandlungen
aufgewertet wurden. Nach mühsamer Verständigung über
Sicherheitsaspekte und Fragen von Hilfs- und
Rehabilitationsmaßnahmen kam als dritter »Korb«
das von beiden Seiten ausgehandelte Memorandum über die
Vereinbarung des Landes der Ahnen (Memorandum of
Agreement-Ancestral Domain – kurz: MoA-AD) als letzte
Vorstufe einer umfassenden friedensvertraglichen Regelung zustande.
Es handelt sich mithin um Konsenspunkte zwischen den
Vertragspartnern beziehungsweise um eine Art Roadmap in Richtung
Frieden, worüber letztlich auch Nicht-Muslime und
Angehörige der indigenen Völker (Lumad) mitentscheiden
sollen.
Kernpunkte des MoA-AD sind: Der muslimischen Bevölkerung in
Mindanao, dem Sulu-Archipel mit der Hauptinsel Jolo und Palawan
wird das Recht zugestanden, als »Bangsamoro«
(wörtlich: Moro-Nation) ihre eigene Identität zu wahren
und ihre eigenen Rechte auszuüben, indem sie eine ihren
Vorstellungen entsprechende Selbstregierung schafft, die innerhalb
ihres Gebietes die dort vorhandenen Ressourcen schützt und
nutzt. Diese Selbstregierung trägt den vorläufigen Namen
»Bangsamoro Rechtseinheit« (Bangsamoro Juridical Entity
– kurz: BJE) und soll mit größerer Autonomie und
mehr Befugnissen ausgestattet sein und über ein
größeres Territorium verfügen als die bislang
lediglich aus fünf Provinzen und einer Stadt bestehende
Autonome Region in Muslim Mindanao (ARMM). Diese entstand Ende der
1980er Jahre und ist wesentlich eine Domäne der Moro
Nationalen Befreiungsfront (MNLF), von der sich die MILF 1977
abgespalten hatte und der sie vorwirft, mit ihrem am 2. September
1996 unterzeichneten Endgültigen Friedensabkommen mit Manila
das Selbstbestimmungsrecht der Moros preisgegeben zu haben.
Das MoA-AD enthält in zwei zusätzlichen Anhängen
Listen derjenigen Dörfer, die Bestandteil der BJE werden
sollen. Außerdem benennt es insgesamt 151 Gemeinden, die
außerhalb des avisierten BJE-Territoriums als
»Besondere Interventionsgebiete« klassifiziert sind.
Gemeint sind damit konfliktträchtige Gebiete, um deren
Anliegen sich die Zentralregierung künftig kümmern soll.
Die detaillierten exekutiven, legislativen und judikativen
Befugnisse der BJE sowie die genaue Nutzung deren territorialer und
maritimer Ressourcen sind erst nach Unterzeichnung des MoA-AD im
Rahmen von Folgeverhandlungen festzulegen. Ein Prozeß, der
ursprünglich im November dieses Jahres hätte
abgeschlossen sein sollen und zu einem rechtsverbindlichen
Friedensvertrag (Comprehensive Compact) geführt haben
sollte.
(rw)
https://www.jungewelt.de/artikel/132044.zankapfel-moa-ad.html