23.09.2009 / Schwerpunkt / Seite 3
Rückblick: Ein Jahr »mg«-Prozeß
Auftakt: 25.September 2008, 1.Prozeßtag. Schwerbewaffnete
Polizisten patrouillieren vor dem Hochsicherheitssaal 700 des
Kriminalgerichts Berlin-Moabit. Prozeßbesucher müssen
ihre Ausweise kopieren lassen. Die Angeklagten verlesen eine
Erklärung: »Auf die Anklagebank gehören
Kriegstreiber und Rüstungskonzerne«, heißt es
darin.
Überwachung: 8.Oktober 2008, 3.Prozeßtag. BKA-Beamte
protokollieren die Aussagen von Zeugen und Anwälten sowie die
Reaktionen der Zuschauer. Auch an den folgenden Verhandlungstagen
notieren Polizisten den Verlauf des Verfahrens.
Panne: 16.Oktober 2008, 6. Prozeßtag.
BKA-Ermittlungsführerin Ulrike Alles räumt ein, daß
die Angeklagten zum Zeitpunkt des versuchten Anschlags auf die
Bundeswehr-LKW nicht lückenlos überwacht wurden.
Karneval: 5.November 2008, 9.Prozeßtag. Beamte des Berliner
Landeskriminalamtes treten geschminkt, mit Perücken, Brillen
sowie falschen Schnurrbärten kostümiert als Zeugen auf
und berufen sich auf Erinnerungslücken oder
eingeschränkte Aussagegenehmigungen.
Lücken: 19. Februar 2009, 25.Prozeßtag. Die
Strafverteidiger kritisieren, daß ihnen noch immer nicht alle
Ermittlungsakten vorliegen.
Spitzel: 25. Februar 2009, 26.Prozeßtag. Der Vizechef des
Bundesamtes für Verfassungsschutz, (BfV) Hans Elmar Remberg,
sagt aus, daß ein in die linksradikale Szene eingeschleuster
V-Mann die »mg«-Mitgliedschaft aller drei Angeklagten
bestätigt habe.
Fälschung: 26. März 2009, 34.Prozeßtag. Auf
Nachfrage der Anwälte gesteht der BKA-Beamte Oliver Damm,
daß zwei Texte zur »Militanzdebatte« der
radikalen Linken, die in der Zeitschrift interim abgedruckt wurden,
von zwei seiner Kollegen verfaßt worden. Die hatten sich als
autonome Gruppe »Die zwei von der Muppetshow«
ausgegeben, um eine Reaktion der Szene zu provozieren.
Gerücht: 20. April 2009, 36.Prozeßtag. Der
Verfassungsschutz muß einräumen, daß der V-Mann
die Angaben zur »mg«-Mitgliedschaft der Beschuldigten
lediglich »vom Hörensagen« bezogen hat.
Lesestunde: 8. Juli 2009, 49.Prozeßtag. Das Gericht
läßt aus Diskussionspapieren zitieren, die der
»mg« zugerechnet werden. Am Tag zuvor hatte die Gruppe
ihre Auflösung erklärt.
Geheim: 6. August 2009, 54.Prozeßtag. Die Richter lehnen
– wie schon zuvor – die Beweisanträge der
Anwälte ab. Die Verteidigung wollte weitere BfV-Mitarbeiter
als Zeugen laden.
(fb)
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