17.09.2009 / Schwerpunkt / Seite 3
Karriere: Exmaoist und Neoliberaler
José Manuel Durão Barroso (geb. 1956) studierte Jura
und Politikwisenschaft in Lissabon, Florenz und Genf. Er arbeitete
nach seinem Abschluß in Genf zunächst an der
Universität Lissabon, später an der Georgetown
Universität in Washington D. C. und der in Porto.
Noch vor der portugiesischen Nelkenrevolution vom April 1974
engagierte sich Barroso politisch. Er war einer der Führer der
PCTP-MRPP (Kommunistische Partei der portugiesischen Arbeiter
– Reorganisierende Bewegung der Partei des Proletariats),
einer maoistischen Gruppierung. Im Internet kursiert eine kurze
Filmaufnahme, die Barroso im Jahr 1974 zeigt. Die Kommunistische
Partei Portugals (PCP) beschuldigte die PCTP-MRPP damals, von der
CIA unterwandert zu sein.
1980 trat Barroso mit einer gewissen Folgerichtigkeit in die
Partido Social Democrata (PSD) ein, die entgegen ihrer Bezeichnung
konservativ ausgerichtet ist und zusammen z. B. mit CDU und CSU der
Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament
angehört. Barroso machte nach dem Parteieintritt rasch
Karriere: 1985 Unterstaatssekretär im Innenministerium, 1987
Staatssekretär für Äußeres, von 1992 bis 1995
Außenminister Portugals.
Von 2002 bis 2004 war Barroso Premierminister des Landes und
unterstützte in dieser Funktion 2003 den
völkerrechtswidrigen Irak-Krieg der USA und der
»Koalition der Willigen«. Er trieb die Privatisierung
von Staatsbetrieben voran und sorgte für scharfe Einschnitte
bei den öffentlichen Ausgaben Portugals. Das alles, nicht
zuletzt seine guten Beziehungen zur Bush-Administration,
prädestinierten ihn offensichtlich für seine Nominierung
als EU-Kommissionspräsident durch die Regierungschefs im Juli
2004. Deutschland und Frankreich setzten damals ihre
Alternativvorschläge nicht durch. Nach dem Sieg der EVP bei
den EU-Parlamentswahlen am 7.Juni 2009 erklärte Barroso, er
werde für eine zweite Amtszeit kandidieren. Die 27 Staats- und
Regierungschefs der EU stimmten kurz darauf alle für seine
Nominierung, dennoch kam seine Wiederwahl bei der Konstituierung
des EU-Parlaments im Juli wegen des Widerstandes der
Sozialdemokraten und der Grünen, die ihn als Neoliberalen
bezeichneten, nicht zustande. Barroso wehrte sich gegen die
Charakterisierung mit der Bemerkung, er sei ein »Reformer der
Mitte«. Mit der gestrigen Wahl hat sich das
Schaugeplänkel seiner angeblichen Gegner unter den
EU-Abgeordneten erledigt.(jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/131575.karriere-exmaoist-und-neoliberaler.html