Umdenken
»Ein vorausschauendes, weitreichendes Umdenken und damit
verbunden ein Gegenlenken ist bisher nicht in dem Maße
erfolgt, wie es in dieser Situation wünschenswert, ja
notwendig wäre.« Dies schreibt DGB-Chef Michael Sommer
in der aktuellen Ausgabe des Magazins Mitbestimmung über die
Angebote der Parteien im Bundestagswahlkampf. Doch auch bei Sommer
selbst geht das geforderte Umdenken nicht sonderlich weit. Der
Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes fordert die
»Regulierung der Finanzmärkte« und proklamiert:
»Die Perspektive (…) kann nur eine politisch
kontrollierte und sozial verpflichtete Marktwirtschaft sein, in der
das Soziale wirklich durchdekliniert wird.« Für die
Gewerkschaften sei »eine sozial verpflichtete Demokratie der
zentrale Ausgangspunkt für eine gerechte Gesellschaft –
sie schafft soziale Räume der Gerechtigkeit im
kapitalistischen Wirtschaftssystem«. Es geht also wieder
einmal nur um die Zähmung des Kapitalismus, die aufgrund der
inneren Mechanismen dieses Systems nicht gelingen kann.
Sorgen macht sich Sommer vor allem um den Zusammenhalt der
bürgerlichen Gesellschaft. »Welches Vorbild bietet ein
gieriger Banker denn noch?« fragt der DGB-Vorsitzende und
stellt fest, ohne Gegensteuern drohe »unsere
Gesellschaft« auseinanderzufallen. Doch diese Gesellschaft
ist von Anbeginn in einander bekämpfende Klassen
»auseinandergefallen«. Wer das nicht wahrhaben will,
kann jedenfalls keine adäquate Antwort auf den von Sommer
festgestellten »Epochenbruch« geben. (jW)
Mitbestimmung. Das Magazin der Hans-Böckler-Stiftung,
Nr. 9/2009
Lernen
In der aktuellen Krise lohnt es sich für die
Gewerkschaftsbewegung, auf bereits gemachte Erfahrungen
zurückzublicken und aus ihnen zu lernen. Daher ist die
aktualisierte und um eine filmische Dokumentation ergänzte
Neuauflage eines Buchs über den erfolgreichen Kampf gegen die
Schließung des Audi/NSU-Werks in Neckarsulm 1974/1975 gerade
jetzt sinnvoll. Modern mutet auch das 1990 zur ersten Auflage
geschriebene Vorwort des damaligen IG-Metall-Chefs Klaus Zwickel
an, in dem es heißt: »Der gnadenlose Konkurrenzkampf in
der Automobilindustrie findet auch in der aktuellen Situation
wieder vor dem Hintergrund gewaltiger Überkapazitäten
statt. Erneut geht es darum, in welchem Land, welchem Unternehmen
und welcher Region die Zeche für die dem Kapitalismus
immanente Anarchie in der Entwicklung des gesellschaftlichen
Reichtums bezahlt werden soll.« (jW)
Egon Endres: Macht und Solidarität – Audi/NSU
Neckarsulm 1974/75: Gegen Beschäftigungsabbau und
Standortschließung, Hamburg, VSA 2009