Faschismus, der (m.), ist begrifflich einerseits abgeleitet vom
lat. »fasces« für »Rutenbündel«,
andererseits vom Begriff »Fasci di combattimento«, der
von Benitto Mussolini 1919 gegründeten und 1922 zur Macht
geführten politischen Gruppierungen. Davon ausgehend wurde der
Begriff für ähnliche diktatorisch-terroristische
Bewegungen und Systeme in anderen Staaten verwendet, insbesondere
in Deutschland nach der Machtübertragung an Adolf Hitler im
Januar 1933. Politisch-analytisch wegweisend ist die vom
bulgarischen Kommunisten und Generalsekretär der Komintern
Georgi Dimitroff im Dezember 1933 geprägte Definition, wonach
der F. als »die offene terroristische Diktatur der
reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten
imperialistischen Elemente des Finanzkapitals« ist.
In der Mainstreamgeschichtsschreibung der BRD ist der F.
personalisiert reduziert auf den »Führer«. Die
Unterstützung Hitlers durch die deutsche Großindustrie
wurde nach 1945 weitestgehend in den Hintergrund gedrängt. So
konnte noch 2008, also 63 Jahre nach Niederschlagung des deutschen
F., eine Fernsehdokumentation über die Familie Quandt und ihre
Beziehungen zum faschistischen Regime für Aufsehen und
Überraschung sorgen.
Die entpolitisierte Personalisierung des deutschen F.
ermöglichte in der Folge dessen Inflationierung und führt
damit zur geschichtsrevisionistischen Verharmlosung des mit dem
Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust größten
Menschenheitsverbrechens. So war der ägyptische Präsident
Abdel Nasser 1956 nach der Verstaatlichung des Suezkanals in den
britischen Medien als »neuer Hitler« bezeichnet worden.
Von deutschen Boulevardmedien wurde der Titel 1999 vor dem
völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Jugoslawien Slobodan
Milosevic zuerteilt, 2003 Saddam Hussein im Irak. Aktuell gilt
Irans Staatschef Mahmud Ahmadinedschad als
»Hitler«.
(rg)
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(8./9.8.), Unabhängigkeit (15./16.8.)