18.07.2009 / Aktion / Seite 16
Lektion 4: Generalstreik
Generalstreik, der (m.) ist eine landesweite Arbeitsniederlegung
und gilt als politisch. In Deutschland ist er schon immer verboten,
fand aber einmal dennoch und – was seine Gefährlichkeit
unterstreicht – erfolgreich statt: 1920 zur Abwehr des
Kapp-Putsches, d. h. des Versuchs der besseren Gesellschaft, mit
Hilfe von Nazis und Reichswehr die Weimarer Republik abzuschaffen.
Seitdem ist die Furcht vorm G. in deutschen Chefetagen
übermäßig groß. Als die Linkspartei 2007 das
Thema in den Bundestag brachte, kam es zu heftigen Blähungen
im Herrschaftsfilz. Schließlich hatte man 1949 darauf
geachtet, daß das Grundgesetz das Streikrecht nicht einmal
erwähnt.
Die Gründer der Bundesrepublik trauten sich zwar nicht, den G.
direkt zu untersagen, fanden aber problemlos einen Nazijuristen,
der umstandslos vom »Kriegseinsatz der
Geisteswissenschaften« zum Präsidenten des
Bundesarbeitsgerichts wechselte und das Verbot per
»Richterrecht« besorgte. Es gibt eine Ausnahme: Als
Widerstand gegen die Abschaffung der Ordnung des Grundgesetzes ist
G. erlaubt.
Linksradikale Gruppen attestieren dem G. Wunderkräfte.
Anarcho-Syndikalisten und Trotzkisten vermuten z. B., daß mit
ihm die politische Macht errungen werden kann, weswegen sie
Gewerkschaften, die keinen G. wollen, als Hauptfeinde
bekämpfen. In Italien und Frankreich, wo G.s von der
Verfassung erlaubt sind, brachten sie bisher wenig Resultate
außer der anschließenden Wahl Berlusconis bzw.
Sarkozys. 2006 verhinderte ein G. in Frankreich eine
Verschlechterung des Kündigungsschutzes für jüngere
Beschäftigte. Einige im DGB denken über den G. nach, die
Mehrheit der Spitzenkräfte mag ihn nicht. (asc)
Literatur aus dem jW-Shop:
Bewernitz, Torsten (Hg.): Die neuen Streiks. Unrast 2008, 14,80
Euro
Marcks, Holger und Matthias Seiffert (Hg.): Die großen
Streiks. Unrast 2008 14,80 Euro; DVD Strike Bike – Eine
Belegschaft wird rebellisch Neuer ISP-Verlag 2008, 12,80 Euro
https://www.jungewelt.de/artikel/128352.lektion-4-generalstreik.html