Zu kurz
Zu jW vom 27./28. Juni: »Wir leben in einer Diktatur
auf Abruf«
Mit Brillanz und Impetus schildert J. Ditfurth wesentliche
Erscheinungen des Kapitalismus, spart allerdings die Ökonomie
fast gänzlich aus. Da gibt es im Text nichts zum Thema jetzige
Produktivkräfte, Produktionsweise, tendenzieller Fall der
Profitrate, die Rolle des Finanzkapitals, der sonstigen Monopole
sowie das Verhältnis des bürgerlichen Staates zu ihm und
ihnen. Die gigantische Verschleuderung von Staatsgeldern zwecks
Sanierung der gefährdeten Profite bleibt gleichfalls
außen vor, und auch der Sozialabbau, vor allem nach den
Wahlen, kommt zu kurz. So haben wir es denn mit der Darstellung
diverser Aspekte des Überbaus zu tun, nicht jedoch eine
Basisbewertung, auf dem doch letzten Endes der Überbau
fußt. Somit ist eine materialistische Unterfütterung
nicht eindeutig erkennbar.
Auch Wege zur Überwindung des Kapitalismus allgemein sowie zur
Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise sucht man ziemlich
vergebens; statt dessen der eher schemenhafte Hinweis auf
irgendwelche Gruppen, die gegen das bestehende Desaster
ankämpfen. Dabei kann es sich jedoch meist nur um
Regionalgruppen handeln, oft sind es zudem Randgruppen, die
zersplittert und unsystematisch vor sich hin werkeln bzw. ziemlich
wirkungsarm agieren. Hinzu kommt da noch mancherlei Hobbyismus und
Illusionismus, so daß uns keineswegs eine hoffnungsvolle
Perspektive offeriert wird. Zwar gibt es Widerstand in der linken
Arbeiterbewegung vorerst nur rudimentär, dennoch wäre
genau dort der Hebel anzusetzen, schon weil maßgeblich in der
Produktion, der Stätte der Mehrwertbildung, wirklicher Druck
auf Kapital und Staat ausgeübt werden kann.
Sonstige Überbaubereiche spielen zwar auch eine nicht zu
unterschätzende Rolle, doch letztlich sind diese eher
flankierender Art. Möglich, daß meine genannten
Einwände im neuen Buch von ihr auftauchen, das Interview
jedenfalls läßt eine entsprechende diesbezügliche
Mutmaßung entstehen.
Peter Hörsel, per E-Mail
Nicht hörbar
Am 2. Juli hatten u. a. die Gewerkschaft ver.di, die
Volkssolidarität und Sozialverbände zur Protestkundgebung
auf dem Platz der Republik gegen die Rentenpolitik der
bürgerlichen Parteien CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die
Grünen und FDP aufgerufen. Lediglich die Partei Die Linke
hatte vor kurzem im Bundestag mit 17 Anträgen
Rentengerechtigkeit gefordert. So war erfreulich festzustellen,
daß einige Bundestagsabgeordnete, z.B. Dr. Gesine
Lötzsch, Katja Kipping und Elke Reinke, die
Kundgebungsteilnehmer unterstützten. Da die Kundgebung weitab
und nicht hörbar vom Kanzleramt und Bundestag stattfand,
konnten sich die »Volksvertreter« ihren
Milliardensubventionen an Banken und anderen
»Pleitegeiern« im Wege der Verschleuderung von
Steuermitteln störungsfrei widmen. Offensichtlich ist auch den
zukünftigen Rentnerinnen und Rentnern ihre drohende Verarmung
im Alter durch den Renteneintritt ab 67 und ständige
Realeinkommensverluste bisher nicht ins Bewußtsein
gedrungen.
Die Fahnen der ver.di-Kolleginnen und -Kollegen und der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Volkssolidarität
ließen zeitweilig den Gedanken der Zusammenarbeit von linken
Organisationen aufkommen. Vermißt wurden die 7000 Berliner
Mitglieder der Partei Die Linke, einschließlich ihrer
Regierungsmitglieder und Vertreter im Abgeordnetenhaus von Berlin.
Fahnen der Arbeiterpartei DKP waren ebenfalls nicht zu sehen.
Obwohl die Gewerkschaften Vertreter des Ostdeutschen Kuratoriums
von Verbänden (OKV) in gemeinsamen Aktionsgruppen ausgegrenzt
haben, waren Mitglieder aus den angeschlossenen Vereinen zahlreich
zu sehen.
Daß aufgrund der zu erwartenden Menschenmenge die
Zugangsstraßen nicht gesperrt waren und die Buslinien nicht
behindert wurden, verwunderte die Teilnehmer in Anbetracht der Zahl
der Demonstranten nicht. Die »staatstragenden« Parteien
und die Bundesregierung können aus der Beteiligung leicht den
Eindruck gewinnen, daß die statistisch ausgewiesenen etwa
1388000 Rentnerinnen und Rentnern in Berlin und Brandenburg mit
ihrer Situation durchaus zufrieden sind. Für die Abgeordneten
kann aus dieser Erfahrung die Angleichung des Rentenwerts Ost an
den Rentenwert West und die Aufhebung der Strafrenten für
Verantwortungsträger in der DDR der biologischen Lösung
überlassen werden. Der Hinweis einiger Rednerinnen und Redner,
darunter die Landesvorsitzende der Volkssolidarität, Dr. Inge
Rosberg, und die ver.di-Landesleiterin Susanne Stumpenhusen, auf
die »Rache« der Wählerinnen und Wähler bei
der kommenden Bundestagswahl im September läßt aus
Erfahrung keine Angst bei den Kandidaten der bürgerlichen
Parteien aufkommen.(...)
Gert Julius, Vorsitzender des BüSGM
Der Aufmerksamkeit entgangen
Zu jW vom 1. Juli: »Treffen mit
seinesgleichen«
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