26.06.2009 / Schwerpunkt / Seite 3
Kommentiert. Den Sumpf trockenlegen
Die unter dem Stichwort »Sachsensumpf« erhobenen
Vorwürfe klangen bei Bekanntwerden 2007 unglaublich.
Hochrangige Politiker und Bedienstete aus Polizei und Justiz
sollten als Teil mafiöser Netzwerke im Freistaat ihr Unwesen
getrieben haben. Dabei ging es keineswegs um Lappalien. Die
Anschuldigungen reichten von Mordanschlägen,
Kinderprostitution, dubiosen Immobilien- und
Finanzgeschäften bis zu Verrat von Dienstgeheimnissen und
Korruption.
Seit Juli 2007 hat sich ein Untersuchungsausschuß des
Sächsischen Landtags alle Mühe gegeben, Licht ins Dunkel
des zweifellos existierenden Tatkomplexes zu bringen. Vor allem der
Ausschußvorsitzende Klaus Bartl (Die Linke) und der
SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle machten sich – trotz aller
gegen sie gerichteten Haßkampagnen aus Politik und Medien
–als beharrliche Aufklärer einen Namen – ganz im
Gegensatz zur CDU-geführten Staatsregierung. Diese weigerte
sich beharrlich, die etwa 15600 Seiten umfassenden
Aktenbestände des sogenannten Landesamtes für
Verfassungsschutz zu den Vorgängen dem Ausschuß ohne
Verzögerung und Einschränkung zur Verfügung zu
stellen und mußte erst mit zwei Urteilen des
Verfassungsgerichtes dazu gezwungen werden. Unter anderem deshalb
darf vermutet werden, daß der Staatsregierung daran gelegen
war, die ans Licht der Öffentlichkeit gekommenen Vorgänge
zu verschleiern, anstatt sie aufklären zu wollen.
Nicht verwundern kann, daß sich das Gros von abgehalfterten
westdeutschen B-Klasse-Politikern, die sofort nach Annexion der DDR
in den Osten strömten, weniger an bestehende Gesetze als an
ganz private Regeln hielt. Rund um den ehemaligen
Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU), der sich aus
einigen dubiosen Geschäften mit alten Freunden aus der
Baubranche etwas mühsam mit Hilfe der sächsischen Justiz
rettete, etablierte sich rasch ein besonders ausgedehntes Biotop
für Durchstecherei, Filz und Raub. Viel Phantasie ist nicht
vonnöten, um sich vorzustellen, wie die damaligen Netzwerke
mit besten Verbindungen in die Organisierte Kriminalität
funktioniert haben dürften.
Zwar sind durch den Untersuchungsausschuß bereits
verschiedene merkwürdige Vorgänge wie etwa die
Zerschlagung des Leipziger Kommissariats für Organisierte
Kriminalität oder auch Ereignisse im Leipziger Kinderbordell
»Jasmin« beleuchtet worden. Tatsächlich
aufgeklärt wurden sie jedoch bei weitem nicht.
Mit dem Ende der Legislaturperiode ist die Arbeit des
Untersuchungsausschusses beendet. Die demokratischen
Oppositionsparteien haben jedoch bereits angekündigt, ihn
in der kommenden Wahlperiode des Landtags fortsetzen zu wollen. In
welcher Weise und in welcher Form das möglich sein wird,
hängt auch von den sächsischen Wählern und ihrer
Entscheidung am 30. August ab. (bern)
https://www.jungewelt.de/artikel/127156.kommentiert-den-sumpf-trockenlegen.html