»Der Schuß aus ca. eineinhalb Metern Entfernung in den
Hinterkopf, dessen Hergang im Übrigen nie zweifelsfrei
geklärt werden konnte und folglich dem Polizisten aus Mangel
an Beweisen für einen schuldhaften Tötungsvorsatz einen
Freispruch einbrachte, war für die
›68er-Bewegung‹ das Fanal schlechthin.
Davon wollte auch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
(SED) profitieren, sie bekundete vielfach ihre Solidarität mit
dem Toten. So begleiteten etwa, als am 8. Juni sein Leichnam auf
der Transitstrecke von West-Berlin nach Hannover
überführt wurde, den Sarg Hunderte Fahrzeuge, und an den
beiden Grenzübergängen, an den Seiten der Autobahn
grüßten Betriebsdelegationen, Bürger und Aufgebote
der Freien Deutschen Jugend (FDJ) den Konvoi. Unter den Genossen
der SED war die Stimmung einhellig: Es war Mord, der Täter ein
Verbrecher. Nur wenige teilten diese Auffassung nicht.
Einer davon wird eher ein Mißbehagen mit solchen Deutungen
empfunden haben, namentlich Genosse Karl-Heinz Kurras. Immerhin
gehörte er schon mehrere Jahre der Partei an, seitdem er am
15. Dezember 1962 den Aufnahmeantrag in ›ehrlicher
Überzeugung‹ gestellt hatte, ›daß die SED
mit ihrer Zielsetzung den wahren demokratischen Willen
verkörpert, ein demokratisches Deutschland zu
schaffen‹.
›Er erklärte, daß er sich der Bedeutung dieses
Schrittes voll bewußt ist und seine ganze Kraft für die
Partei einsetzen wird‹. Der DDR hätte er gern als
Volkspolizist zur Seite gestanden, doch hatte sich das zerschlagen.
Seine nächsten Genossen vertrauten ihm dennoch, bürgten
für ihn vor der Partei: So die Österreicherin Charlotte
Müller, Altkommunistin und im KZ Ravensbrück inhaftiert,
die einen ebenso zweifelsfreien Ruf hatte wie Werner Eiserbeck, der
das vollste Vertrauen seines Staates DDR genoß.«
Aus: »Der 2. Juni 1967 und die Staatssicherheit«
von Helmut Müller-Enbergs/Cornelia Jabs. Auszug aus einem
Beitrag, der jetzt im Deutschland-Archiv erscheint