Gescheiterte Strategie
Gerade in der aktuellen Krise der Automobilindustrie lohnt es sich
für Gewerkschafter, auf die Erfahrungen in den
nordamerikanischen Autokonzernen zu blicken. Der derzeitige
Kahlschlag bei General Motors (GM), Ford, Chrysler und
unzähligen Zulieferern bleibt ohne jegliche Gegenwehr seitens
der US-Gewerkschaft UAW. Doch das ist lediglich der vorläufige
Tiefpunkt einer Entwicklung, die Sam Gindin im aktuellen Express
beschreibt. Seit Ende der 1970er Jahre verfolgt die einstmals
kämpferische UAW eine Politik des »Concession
Bargaining«, bei der die Beschäftigten
Zugeständnisse bei Löhnen und Arbeitszeiten im Tausch
für vermeintliche Beschäftigungssicherung machen. Dennoch
wurden Tausende Stellen gestrichen. Die Folge: Allein bei GM sank
die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder von 450000 auf 64000. Gindins
Fazit: »30 Jahre Konzessionen und ein 90prozentiger Verlust
an Jobs. Wenn es jemals eine gescheiterte Strategie für
Arbeiter gab, dann war es diese.« Der ehemaliger Berater des
Vorstands der kanadischen Automobilarbeitergewerkschaft CAW
argumentiert zudem, daß die Politik kampfloser
Zugeständnisse »eine Gefahr darstellen für das
Vertrauen der Arbeiter in kollektive Aktionen – die Arbeiter
und ihre Gewerkschaften gehen so desorientiert und geschwächt
in die Zukunft«. (jW)
Express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und
Gewerkschaftsarbeit, Nr. 4/2009, 16 Seiten 3,50 Euro
Brachliegende Ressource
Mit Tarifabweichungen in der Metall- und Chemieindustrie
beschäftigt sich eine Studie von Thomas Haipeter von der Uni
Duisburg-Essen, die in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift
Mitbestimmung vorgestellt wird. Als »kritische
Größe« bei Verhandlungen zur Unterschreitung von
Tarifstandards auf Betriebsebene sieht Haipeter die
Beschäftigten. Denn diese lehnten die Konzessionen
mehrheitlich ab und müßten von den Betriebsräten
daher »von der Richtigkeit des eingeschlagenen Weges erst
überzeugt« werden. »Erfolgreich waren diese
Bemühungen vor allem dann, wenn es den Betriebsräten
gelang, sich in konfliktorientierten Strategien als Verteidiger der
Beschäftigteninteressen gegen die Zumutungen der
Unternehmensleitungen zu positionieren«, so der Autor.
Allerdings sei in weniger als einem Drittel der untersuchten
Fälle eine solche konfliktorientierte Strategie eingeschlagen
worden. Eine »wichtige Ressource der Handlungslegitimation
für die Betriebsräte« liege damit noch weitgehend
brach. (jW)
Mitbestimmung. Das Magazin der Hans-Böckler-Stiftung,
Nr. 5/2009, 74 Seiten. Jahresabo: 50 Euro. www.magazin-mitbestimmung.de