21.02.2009 / Aktion / Seite 16
Südamerika im Blick
Arnold Schölzel
Fidel Castro schrieb an Venezuelas Präsident Hugo
Chávez zum Ausgang des Referendums für eine
Verfassungsänderung am vergangenen Sonntag, es handele sich um
einen Sieg, dessen Größe noch nicht zu ermessen sei. Das
sehen die hiesigen Gegner der von linken Politikern geführten
Regierungen ähnlich. Ihre Kommentare fielen jedenfalls so aus.
Hier sei Springers Welt als verschwörungstheoretischer
Musterfall der deutschen Qualitätspresse angeführt: Weil
Chávez mit Ahmadinedschad flirte, hieß es dort,
bestehe die Gefahr, »daß über ihn der
Einfluß der Hamas in dieser Weltgegend wächst.
Außerdem betreibt Chávez eine massive Aufrüstung
seiner Streitkräfte. Wofür? Sucht er Krieg mit seinen
Nachbarn Kolumbien oder Brasilien – oder würde er sich
gern einen Teil von Guyana einverleiben – seit 1966
unabhängig, aber immer noch ein Stückchen
Großbritannien?« Ja, da hilft vielleicht die gerade
wieder nach mehr als 50 Jahren in Dienst gestellte IV. Flotte der
US-Marine.
Es ist schon tragisch: Die DDR wird täglich medial in der
Bundesrepublik neu totgeschlagen, Moskau ist zwar kapitalistisch,
läßt sich aber frecherweise dennoch nicht seine Politik
von der NATO diktieren, und Kuba sollte längst ungefähr
so demokratisch und menschenrechtlich geordnet sein wie jener
Staat, der die Käfighaltung in Guantánamo Bay erfunden
hat. Und nun ist da Chávez und sorgt für Nahrung,
Lehrer und Ärzte in Elendsvierteln. Ein Verbrechen dieser
Größenordnung muß einfach mit allen Mitteln der
Verblödung bekämpft werden.
Deutsche Herrschaftsmedien sind wie eh und je gleichermaßen
imperialistisch und spießig, also für die junge Welt
kein Maßstab. Wichtig ist, daß in Südamerika
– und wesentlich getragen durch die Veränderungen in
Venezuela – lange vor Ausbruch des aktuellen
ökonomischen Desasters der global dominante ökonomische
Irrsinn und die von ihm beschleunigte Verelendung gestoppt wurde.
Hierzulande führt das bei der Rechten zu Veitstänzen und
bei nicht wenigen Linken zu Distanzierung aus Arroganz oder
Furchtsamkeit. Die junge Welt begleitet diese Entwicklungen
kritisch-solidarisch mit großer Aufmerksamkeit, denn hier
geht es um wirkliche Schritte vorwärts zu einer demokratischen
und menschenwürdigen Gesellschaft, nicht um Deklarationen.
Deswegen lautete die jW-Schlagzeile am Dienstag
»›Ja‹ zur Revolution«, deswegen bleibt
unser Anspruch, umfassend über das Vorwärts, aber auch
die Kräfte des Rückwärts zu berichten.
Ein Hinweis: Die Broschüre mit Referaten und jW-Beiträgen
zur diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz kann aus technischen
Gründen nicht wie geplant am 28. Februar erscheinen. Sie wird
eine Woche später, am 5. März, zu haben sein.
https://www.jungewelt.de/artikel/120865.südamerika-im-blick.html