17.01.2009 / Aktion / Seite 16

Medien im Klassenkampf

Verschweigen oder lügen, kleinreden oder ignorieren: Das Liebknecht-Luxemburg-Wochenende zeigt in jedem Jahr, warum eine linke Bewegung nicht ohne eigene Medien auskommt

Dietmar Koschmieder
Das Liebknecht-Luxemburg-Wochenende in Berlin klärt den aufmerksamen Beobachter über den Zustand der Linken, aber auch über den der bundesdeutschen Medienlandschaft auf. Immerhin kamen zur größten antikapitalistischen Manifestation des Landes am vergangenen Sonntag 80000 bis 90000, und damit mehr Menschen als in den letzten Jahren. Allein die Veranstalter der Internationalen Demonstration berichten von 12000 Teilnehmenden. Und mit über 1600 Besuchern ist die Rosa-Luxemburg-Konferenz auch in diesem Jahr das »größte neomarxistische Symposium« im Lande, wie selbst die Bürgerlichen zugeben. Wie wird das also in den Medien widergespiegelt?

Zunächst schien es, daß die ZDF-Hauptnachrichten um 19 Uhr am Sonntag abend diese Veranstaltungen völlig unterschlagen würden. Aufgemacht wurde die Sendung zwar mit einem ausführlichen Bericht über Demonstrationen in mehreren deutschen Städten, allerdings ging es da um die Unterstützung des Kriegskurses der momentanen israelischen Regierung. Bundesweit nahmen daran allerdings nicht mehr als 3500 Menschen teil. Dann wurden doch noch – als letzte politische Meldung vor dem Sport – wie jedes Jahr einige Bilder von Gregor Gysi, Lothar Bisky und anderen Linksparteipolitikern beim Kranzniederlegen gezeigt und behauptet, daß in diesem Jahr 10000 Menschen an der Veranstaltung teilgenommen hätten.

Immerhin werden Liebknecht-Luxemburg-Demonstration und Gedenken regelmäßig in den Printmedien erwähnt. Die taz macht es dem ZDF gleich und manipuliert die Teilnehmerzahl gewaltig nach unten: »Wie jedes Jahr versammelten sich mehr als zehntausend Menschen in Berlin, um der vor 90 Jahren von Freikorps-Soldaten ermordeten KPD-Gründer (...) zu gedenken«, heißt es auf Seite sieben der Montagausgabe. Obwohl, 80000 bis 90000 sind ja in der Tat mehr als zehntausend Menschen. Im Lokalteil wird dann auf Seite 21 nachgebessert: »Seit der Wende nehmen jährlich mehrere zehntausend Menschen an dem Gedenken teil, nach Angaben eines Sprechers der Linken waren es diesmal 80000.« Als ob es vor der Wende dieses Gedenken nicht gegeben hätte.

Aber immerhin wird es in den Medien notiert. Die Rosa-Luxemburg-Konferenz hat es da schon schwerer. Nur wenn irgendeine Sendeanstalt acht Wochen nach der Konferenz entdeckt, daß eine Grußadresse von Christian Klar verlesen wurde, schafft es auch dieses Ereignis tagelang in die Nachrichtensendungen beispielsweise des ZDF. Nur zwei überregionale Tageszeitungen erwähnen in diesem Jahr die Veranstaltuung. Allerdings kommen sie auch nur ihrer Chronistenpflicht nach, damit die eigenen Leserinnen und Leser nicht allzusehr meckern. Die taz bringt in einem Bericht über das politische Wochenende in ihrem Lokalteil gerade mal zehn Sätze zur Konferenz unter, und selbst die sind nicht fehlerfrei (so wird Sara Flounders vom International Action Center mal flugs zur Sprecherin der US-KP ernannt). Der Hauptteil des Beitrages wird dann allerdings der Veranstaltung einer äußerst kreativen Person gewidmet. Jürgen Elsässer, einst Erfinder der Antideutschen, wurde offensichtlich von einem Alien geküßt und will nun keine Klassen mehr kennen, sondern nur noch Deutsche, die gemeinsam Nation und Kapital schützen. Dazu hat er sich »aus dem linken Getto« verabschiedet und eine Volksfront-Initiative gegründet, die er am Samstag vergangener Woche in einer Westberliner Szenekneipe vorstellte. Überschrieben ist der taz-Artikel »Linke müssen Überstunden leisten« – was aber knapp drei Viertel des Berichtes, der sich mit dem neuesten esoterischen Mist Elsässers beschäftigt, mit links zu tun haben soll, versteht offensichtlich selbst der taz-Autor nicht. Gut, daß es da noch das Neue Deutschland gibt, denn die Tageszeitung war das einzige überregionale Medium, das neben der jungen Welt am Montag über die Luxemburg-Konferenz berichtet hat. Allerdings genügten dem ND dazu ganze drei Sätze, obwohl beispielsweise sein Herausgeber Lothar Bisky Teilnehmer der Podiumsdiskussion zur Europäischen Union war.

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