09.09.2008 / Betrieb & Gewerkschaft / Seite 15

Lesetipp

Betriebliche Bündnisse

In den 1990er Jahren hat sich in der deutschen Industrie und auch in Teilen des Dienstleistungssektors ein neuer Vereinbarungstyp entwickelt: die »betrieblichen Bündnisse«. Diese unter den verschiedensten Begriffen geführten Pakte – die zumeist Zugeständnisse der Belegschaften bei Arbeitszeiten und Löhnen im Gegenzug für befristete Beschäftigungsgarantien oder Investitionszusagen vorsehen– sollen sowohl der »Sicherung von Arbeitsplätzen und Standorten« als auch der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dienen. In den Gewerkschaften haben die Vereinbarungen teils heftige Kontroversen hervorgerufen. Die Debatten sind zuletzt zwar etwas abgeflaut – auch weil im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs weniger solcher »Bündnisse« geschlossen wurden. Das Thema dürfte jedoch vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Krise erneut auf die Tagesordnung kommen.

In der Industriesoziologie wird vor allem die Frage diskutiert, ob es sich bei den betrieblichen Bündnissen um eine Weiterentwicklung oder Aushöhlung des bisherigen Systems handelt. Eine in der Wissenschaftszeitschrift Industrielle Beziehungen veröffentlichte Untersuchung dokumentiert die Verbreitung der Bündnisse und entwickelt eine Kategorisierung in »Wettbewerbs- und Krisenbündnisse«. Eine zentrale Feststellung des Beitrags ist, daß die betrieblichen Vereinbarungen weitgehend unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Unternehmens geschlossen werden. »Sie werden weniger – wie ursprünglich gedacht – als Instrument zur akuten Krisenbewältigung, denn als Mittel zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit genutzt«, so die Autoren Peter Ellguth und Susanne Kohaut. (dab)

Industrielle Beziehungen – Zeitschrift für Arbeit, Organisa­tion und Management. Jg. 15, Heft 3, 2008. Mering: Hampp Verlag. Jahresabo (vier Ausgaben): 60 Euro. ISSN: 0943-2779

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