09.08.2008 / Aktion / Seite 16

Macht die Mille voll

jW-Genossenschaft sucht weitere Anteilseigner. Bis Ende 2009 sollen es mindestens tausend sein

Klaus Fischer, Gründungsmitglied
Reden wir mal über das Kleingedruckte. Auf jeder Seite eins dieser Zeitung, unten rechts, steht rot gesetzt: junge Welt wird herausgegeben von (Zahl) Genossinnen und Genossen. Gemeint sind damit nicht Leute aus der Partei Die Linke oder der SPD, die sich untereinander auch so nennen, sondern die Angehörigen der jW-Genossenschaft. Schon der Platz und die tägliche Wiederholung des Textes soll zeigen: Hier steht etwas sehr Wichtiges. Tatsächlich kann man davon ausgehen, daß es ohne die Genossenschaft die jW nicht mehr geben würde. Und weil dem so ist, wünschen sich die derzeit 733 Mitglieder dringend, die Zahl deutlich zu vergrößern. Auf mindestens 1000 bis Ende 2009. Das jedenfalls beschloß die diesjährige Generalversammlung Ende Juni – ein ambitioniertes Ziel.

Mehr Mitglieder in der Genossenschaft bedeutet mehr Geld für die junge Welt. Was sich schnöde liest, ist Existenzprinzip des linken Medienprojektes, das sich aus der ehemaligen DDR-Jugendzeitung über die Jahre nach 1990 entwickelt hat. Produzent der Tageszeitung als Print- und Onlineausgabe, »Erfinder« und Mitorganisator der jährlich stattfindenden Rosa-Luxemburg-Konferenz, Partner zahlreicher linker Projekte, Gastgeber eines Diskussions- und Kulturforums in der hauseigenen Ladengalerie – das Label junge Welt steht heute für mehr, als selbst die kühnsten Optimisten im Frühjahr 1995 für möglich hielten.

Damals war die Zeitung in ihrer bisher schwersten Existenzkrise. Den Verlag hatten dessen damalige Eigner praktisch abgeschrieben und Insolvenz angemeldet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekamen den Ratschlag, beim Arbeitsamt vorbeizuschauen, andere Medien schrieben Nachrufe. Doch die meisten jWler wollten bleiben, weitermachen. Daraus entstand zunächst der Verlag 8. Mai, eine GmbH, die die Zeitung weiter publizierte.

Im selben Jahr wurde auch die Genossenschaft gegründet. Die Idee dahinter: Menschen mit Interesse am Bestehen der Zeitung bringen Anteile ein, Geld für die Genossenschaft. Das macht sie zu einer Art Bank für den publizistischen Betrieb. Mit den Anteilen, die als Darlehen an den Verlag gehen, werden Projekte finanziert, die aus den laufenden Einnahmen nicht finanzierbar sind. Gleichzeitig sollte die Genossenschaft auch Eigentümer der Verlags-GmbH werden und – wenn dann alles funktioniert – als große Mutter aller jW-Unternehmungen das Treiben ihrer Kinder überwachen.

Das erwies sich letztlich als guter Einfall. Denn eine der ersten Erfahrungen jener »neuen Zeitungsmacher« von 1995 war es, daß keine Bank auch nur eine müde Mark in die wiederauferstandene linke Tageszeitung und das dahinter stehende Konzept stecken wollte. Also mußten Leserinnen und Leser sowie die Beschäftigten aus Verlag und Redaktion auch diese Sache selbst in die Hand nehmen.

Es hat dann etwas länger gedauert. Drei Jahre von der Idee über die amtliche Eintragung ins Genossenschaftsregister bis zur Übernahme der Mehrheit am GmbH-Kapital. Doch es hat sich gelohnt. Für die Leserinnen und Leser, die nicht auf ihre junge Welt verzichten müssen. Für die Linken im Lande, die eine kapitalismuskritische Stimme behalten haben. Für die Mitglieder der Genossenschaft, die mit Genugtuung sehen, was ihre Organisation bewegt. Finanziell hat es sich für die Genossinnen und Genossen indes weniger rentiert. Ein 500-Euro-Anteil ist derzeit nicht mehr, sondern etwas weniger wert. Aber das war von allen Enthu­siasten auch nicht anders erwartet worden. »Das Geld ist für die Zeitung, nicht für die Zinsen«, erklärte mal ein Genosse auf der Generalversammlung. Obwohl auch das für die weitere Zukunft kein Dogma sein muß.

Heute sagen viele, die junge Welt müsse mehr Seiten haben. Die Zeitung möge nicht nur umfassender informieren, kommentieren und analysieren. Sie habe auch einen Bildungsauftrag, eine kulturelle Mission gewissermaßen. Stimmt. Weder dialektisches Denken noch eine materialistische Geschichtsauffassung stehen auf der Bildungsagenda der bürgerlichen Gesellschaft. Marxismus ist keine Glaubensrichtung. Dem Gedankengut emanzipatorischer Geister aus Philosophie, Ökonomie, Geschichte nähert man sich mit Wissen, nicht mit Herunterbeten von Phrasen. Es gibt aus der jW-Leserschaft zahlreiche weitere Anregungen, was aus dem Projekt alles noch werden kann.

Doch dazu braucht man neben den Menschen, die das umsetzen wollen und können, vor allem mehr Geld. Das soll von jenen zukünftigen Genossinnen und Genossen kommen, die wir gewinnen wollen. 500 Euro pro Kopf mindestens müssen es sein, denn das entspricht einem Genossenschaftsanteil. Das Geld kann in Raten gezahlt werden, der Beitritt verpflichtet nicht zum Nachzahlen, wie das in vielen anderen Kapitalgesellschaften dieser Art üblich ist. Jeder kann auch mehrere Anteile kaufen, hat aber dennoch nur eine Stimme auf der Generalversammlung. Auch die, und nicht nur das Geld, ist gefragt. Gefragt bei einem Investment der besonderen Art. Warum also noch zögern? Machen wir die Mille voll. Die Linke Presse- Verlagsförderungs- und Beteiligungsgenossenschaft junge Welt – von uns kurz LPG genannt – erwartet Sie.
https://www.jungewelt.de/artikel/110480.macht-die-mille-voll.html