02.02.2008 / Thema / Seite 10
Friedrich Engels: Der Konjunktur- und Krisenzyklus
Drei Aspekte sind für den zyklischen Verlauf der
kapitalistischen Wirtschaft verantwortlich:
1. anarchische Produktion: Die kapitalistische Produktion erfolgt
ohne Planung, durch einzelne, voneinander unabhängige
Wirtschaftssubjekte (Betriebe, Konzerne) für einen anonymen
Markt. Es ist naturgemäß völlig unabsehbar, was die
einzelnen Unternehmen in der Summe produzieren. Bei guten
Produktionsbedingungen liegt die Überproduktion nahe. Dort, wo
es – auch im Kapitalismus – Planung gibt, gibt es nicht
diese Anarchie und in der Regel auch keinen Zyklus (so im
öffentlichen Verkehr oder in der
Rüstungsindustrie).
2. Profitrate: Die Profitrate als entscheidendes Steuerungselement
erholt sich am Ende der Krise (sinkende Kapital- und
Arbeitskosten). In der Hochkonjunktur steigen die Kosten,
verschärft sich die Konkurrenz und schwächt sich die
Nachfrage ab: Die Profitrate fällt; es kommt zum abnehmenden
Wachstum.
3. Massennachfrage: Im Verlauf des Zyklus wächst die
Produktion schneller als die Massennachfrage – u.a. weil hohe
Profite dadurch erzielt werden, daß die Löhne niedrig
gehalten werden. Waren und Dienstleistungen, die theoretisch mit
hoher Profitrate erstellt wurden, werden nicht mehr in vollem
Umfang oder nicht zu den erwarteten Preisen abgesetzt. Was mit zur
Krise beiträgt.
Im 19. Jahrhundert dauerte der klassische Zyklus zehn Jahre. 1920
bis 1980 waren es meist Sieben-Jahres-Zyklen. 1982 bis 2001 gab es
zwei Zyklen mit neun und zehn Jahren Dauer.
Eine Rolle für die Zyklus-Dauer spielt die Anlage von fixem
Kapital (Maschinen, elektronische Ausrüstungen), die im
großen Umfang am Ende der Krise erfolgt. Die Zykluslänge
wird mit von der durchschnittlichen Dauer, in der dieses Kapital
materiell und »moralisch« (durch neue Technologie)
verschlissen wird, bestimmt.
Friedrich Engels beschrieb den industriellen Zyklus als Ganzes wie
folgt:
»In der Tat, seit 1825, wo die erste allgemeine Krisis
ausbrach, geht die gesamte industrielle und kommerzielle Welt (...)
so ziemlich alle zehn Jahre einmal aus den Fugen. Der Verkehr
stockt, die Märkte sind überfüllt, die Produkte
liegen da, ebenso massenhaft wie unabsetzbar, das bare Geld wird
unsichtbar, der Kredit verschwindet, die Fabriken stehn still, die
arbeitenden Massen ermangeln der Lebensmittel, weil sie zuviel
Lebensmittel produziert haben, Bankerott folgt auf Bankerott (...).
Jahrelang dauert die Stockung, Produktivkräfte wie Produkte
werden massenhaft vergeudet und zerstört, bis die
aufgehäuften Warenmassen unter größrer oder
geringrer Entwertung endlich abfließen (...) Nach und nach
beschleunigt sich die Gangart (...) Der industrielle Trab geht
über in Galopp, und dieser steigert sich wieder bis zur
zügellosen Karriere einer vollständigen industriellen,
kreditlichen und spekulativen Steeple-chase (einem Hindernisrennen
– W.W.), um endlich, nach den halsbrechendsten Sprüngen
wieder anzulangen – im Graben des Krachs. Und so immer von
neuem.«
Friedrich Engels, Die Entwicklung des Sozialismus von der
Utopie zur Wissenschaft (1880), zit. n. MEW 19, S. 218f.
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