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Aus: Ausgabe vom 26.09.2006, Seite 4 / Inland

Gesundheit kränkelt weiter

CDU-Länderfürsten stänkern gegen Merkels Reformpläne. Kanzlerin wurschtelt sich durch
Gesundheit kränkelt weiter
Gesundheitsreform am Pranger: Auch bei ihrem Besuch in Bielefeld fühlte sich die Kanzlerin total mißverstanden
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am Montag in Bielefeld gegen eine Mehrbelastung der Versicherten im Zuge der Gesundheitsreform ausgesprochen – als ob nicht genau das der Sinn dieser »Reform« wäre. »Wir wollen keine weitere Praxisgebühr oder neue Zuzahlungen für die Versicherten«, sagte die CDU-Vorsitzende bei einem Besuch der Bodelschwinghschen Anstalten, der mit 14150 Mitarbeitern nach eigenen Angaben größten diakonischen Einrichtung Europas. Es gehe ihr vielmehr darum, Strukturen effizienter und transparenter zu machen, um das Geld für die Versicherten besser einsetzen zu können. »Wir versuchen unser Bestes«, drohte die Kanzlerin, überreichte noch eine Privatspende von 1500 Euro und entschwand.

Hinter Merkels Rücken stellten ihre Unionsministerpräsidenten derweil die von der Koalition ausgehandelten Eckpunkte weiter in Frage. Es sei nicht praktikabel, die Obergrenze für Zuzahlungen von gesetzlich Versicherten auf ein Prozent des Einkommens zu begrenzen, sagte Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) am Montag im Deutschlandfunk. Die bayerische CSU-Landesregierung beriet über eigene Formulierungsvorschläge zu Teilen des Reformpakets.

Die SPD beharrte dagegen auf einer Umsetzung der beschlossenen Eckpunkte. Auch Regierungssprecher Ulrich Wilhelm stellte klar, die angekündigte nochmalige Expertenprüfung beschränke sich auf die Umsetzung der umstrittenen Ein-Prozent-Klausel.


Althaus kritisierte, diese Obergrenze für Zusatzbeiträge an die Kassen könne im Einzelfall sogar zu niedrigeren Zahlungen führen als bisher. Zugleich verteidigte er die Einmischung der Ministerpräsidenten in die Reformdiskussion. Die Länderchefs hätten das Recht und die Pflicht, über die Reform mitzudiskutieren. Die bayerische Landesregierung wollte eigene Formulierungsvorschläge zu strittigen Passagen der Gesundheitsreform beschließen, um diese in die Diskussion auf Bundesebene einzubringen. Dabei soll es unter anderem um Änderungen im Bereich der privaten Krankenkassen gehen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) brachte einen Verzicht auf den geplanten Gesundheitsfonds ins Gespräch. Besser solle es Sache der Kassen bleiben, die Beiträge einzuziehen und Mindereinnahmen durch den sogenannten Risikostrukturausgleich zu neutralisieren, sagte Böhmer dem Deutschlandradio Kultur. Sollte es beim Gesundheitsfonds bleiben, brachte er als Obergrenze für Zusatzprämien der Krankenkassen einen Wert von 1,5 Prozent des Haushaltseinkommens ins Gespräch. Die SPD besteht gemäß den Koalitions-Eckpunkten auf einem Grenzwert von einem Prozent. Für den Fall, daß es dabei bleiben sollte, schlug Böhmer eine generelle Erhöhung der Kassenbeiträge vor.

(AP/AFP/jW)