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Aus: Ausgabe vom 03.12.2025, Seite 8 / Kapital & Arbeit
»OPEC plus«

Ausgleich für Überproduktion

Erdölpreise im Keller, aber Fördermenge steigt. »OPEC plus« beschließt Kompensation bei überschrittenen Quoten
Von Knut Mellenthin
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Das internationale Ölkartell hat derzeit viel wegzutragen (Tankstelle auf der Krim, September 2025)

Die Erdölpreise liegen international auf dem niedrigsten Stand seit April 2021; damals litt die Wirtschaftstätigkeit schwer unter den Folgen der Coronapandemie. Aber statt, wie in der Vergangenheit, durch Produktionskürzungen gegenzusteuern, will die Arbeitsgemeinschaft »OPEC plus« mit Saudi-Arabien und Russland an der Spitze ihre Fördermenge im Juni steigern. Die gleiche Entscheidung war auch schon Anfang April für den Monat Mai gefallen. Aber die Dinge sind etwas komplizierter und widersprüchlicher, als sie auf den ersten Blick scheinen.

Zur Vorgeschichte: Aufgrund des Zusammenbruchs der Ölpreise hatte die »OPEC plus« am 15. April 2020 die radikalste Kürzung seit Beginn der Erdölförderung beschlossen und zeitweise fast zehn Millionen Barrel pro Tag – rund ein Zehntel der Weltproduktion – vom Markt genommen. Zusätzlich zu dieser kollektiven Entscheidung nahmen später eine Reihe von Mitgliedern des Kartells auch noch freiwillige Senkungen ihrer Fördermengen vor. Diese beliefen sich auf insgesamt 2,2 Millionen Barrel pro Tag. Daran beteiligten sich Saudi-Arabien, Russland, Irak, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Kasachstan, Algerien und Oman.

Am 5. Dezember 2024 einigten sich diese acht Staaten darauf, ihre Kürzungen ab dem 1. April 2025 schrittweise rückgängig zu machen. Um flexibel agieren zu können, wird die zusätzliche Fördermenge zu Anfang jedes Vormonats neu bestimmt. Im März wurde für April eine Steigerung um 135.000 Barrel pro Tag vereinbart. Anfang April wurde für den Monat Mai jedoch zur allgemeinen Überraschung eine dreimal so hohe Zunahme, um 411.000 Barrel pro Tag, beschlossen. Das wiederholte sich jetzt am Sonnabend, als die acht Mitglieder in einer Videokonferenz die Steigerung der Fördermenge im Juni festlegten.

Praktisch bedeutet das, dass diese Länder schon im nächsten Monat soviel Erdöl produzieren könnten, wie nach der im Dezember 2024 ins Auge gefassten Planung erst im Oktober erreicht werden sollte. Sollte es auch künftig bei der monatlichen Steigerung um 411.000 Barrel pro Tag bleiben, wären die freiwilligen Kürzungen um 2,2 Millionen Barrel pro Tag nicht erst, wie zunächst geplant, Ende September 2026 ausgeglichen, sondern schon ein Jahr früher.

Soweit die Theorie. In Wirklichkeit werden die Quoten, die die »OPEC plus« für ihre Mitgliedsländer festlegt, nie exakt erreicht. Einige überschreiten sie, andere schöpfen sie nicht voll aus. Vor allem Kasachstan, die Emirate und Irak produzieren regelmäßig mehr Erdöl, als sie nach den Beschlüssen des Kartells dürften. Das sorgt für Streit. Um einen Schnitt vorzunehmen und die »Disziplin« in der Gemeinschaft wiederherzustellen, hat die »OPEC plus« beschlossen, dass die Quotenüberschreitungen »kompensiert«, also durch Kürzungen schrittweise und planmäßig ausgeglichen werden müssen. Insgesamt hat sich eine Überproduktion von 4,57 Millionen Barrel pro Tag aufgebaut, die bis zum Juni 2026 durch Kürzungen, hauptsächlich zwischen Mai und Oktober des laufenden Jahres, ausgeglichen werden soll. Diese »Kompensationen« sind von den zusätzlichen Fördermengen, wie sie am Sonnabend für die beteiligten acht Länder festgelegt wurden, abzuziehen.

Ein Beispiel: Nach der Beschlusslage von Anfang März hätte die Erdölproduktion der Gemeinschaft im April um insgesamt 138.000 Barrel pro Tag zunehmen können. Real sank sie aber um 200.000 Barrel pro Tag, wie das in New York ansässige Dienstleistungs- und Nachrichtenunternehmen Bloomberg errechnete. Die Hälfte des Rückgangs entfiel auf Venezuela, das mit den Folgen der US-amerikanischen Sanktionen kämpft. Aber auch Saudi-Arabien und die Emirate blieben hinter den ihnen erlaubten Mengen zurück. Erst wenn die Zahlen für Mai vorliegen, kann eine Einschätzung vorgenommen werden, wie sich die beschlossene Steigerung um 411.000 Barrel pro Tag real ausgewirkt hat.

Soviel steht aber jetzt schon fest: Es geht, zumindest zu diesem Zeitpunkt, nicht darum, dass Saudi-Arabien den Weltmarkt »mit Öl flutet« und »einen Preiskrieg führen« will.

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