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Aus: Ausgabe vom 15.11.2025, Seite 5 / Inland
Rassismus in der Pflege

Miese Willkommenskultur für Pflegekräfte

Hoher Druck, Rassismus verbreitet: Zwei Studien beleuchten Arbeitsalltag zugewanderter Beschäftigter
Von Gudrun Giese
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Knochenjob mit Anspruch: Beschäftigten in der Pflege wird einiges abverlangt

Die Abhängigkeit von Fachkräften aus anderen Ländern, gerade im Pflegebereich, ist riesengroß. Doch im alltäglichen Arbeitsumfeld erleben die so dringend benötigten Mitarbeiter Diskriminierung und Rassismus. Das belegen zwei aktuelle Studien des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim), die Grundlage für eine Podiumsdiskussion am Donnerstag abend in Berlin waren. »Rassismus in der Pflege« basiert dabei auf einer qualitativen Interview- und Tagebuchstudie des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors; »Willkommen in der Pflege?« aus einer spezifischen Auswertung der Lage von in Drittstaaten angeworbenen Pflegekräften in Baden-Württemberg. Zur Ausgangsbasis beider Untersuchungen gehört, dass »angesichts einer alternden Gesellschaft und des akuten Fachkräftemangels« das »deutsche Gesundheitssystem verstärkt auf die internationale Anwerbung von Pflegepersonal« setze. Das Beschäftigungswachstum in diesem Sektor beruhe seit 2022 ausschließlich auf ausländischen Fachkräften. Bis 2034 prognostiziert der Deutsche Pflegerat wegen der zunehmenden Alterung in der Gesellschaft sogar einen Mangel an rund 500.000 Pflegekräften. Doch Dank für ihren Einsatz erhalten die Kollegen im Arbeitsalltag eher selten. Statt dessen ist der Druck enorm durch Erwerbsarbeit und parallelen Spracherwerb, gepaart mit der Erfahrung von Diskriminierung und Rassismus durch Vorgesetzte, Kollegen und Behörden.

Denn trotz der großen Abhängigkeit von Pflegekräften aus anderen Staaten tritt die Bundesrepublik mit ihren Institutionen Menschen aus Drittstaaten generell mit Misstrauen entgegen. So seien die aufenthaltsrechtlichen Vorgaben und die damit verknüpften Arbeitsverträge mit restriktiven Kündigungsfristen und Sanktionsklauseln ausgestattet. Auf diese Weise entstehe strukturelle Abhängigkeit vom Krankenhaus oder der Pflegeeinrichtung. Kündigung bedeute für diese Beschäftigten schnell auch den Verlust ihres Aufenthaltstitels. Obendrein kämpfen die Betroffenen mit langwierigen bürokratischen Verfahren bei der Anerkennung ihrer Qualifikation, der Familiennachzug sei oft erschwert. »Trennung und Isolation sowie finanzielle Verantwortung für Angehörige im Herkunftsland verstärken die Abhängigkeit«, so die Studie. Ein unzureichendes Integrationsmanagement erschwere die Inklusion der Beschäftigten, und auch Leitungskräfte verhielten sich im Konfliktfall oft nicht unterstützend gegenüber den Kollegen mit anderem Pass.

All dem müsse zwingend gegengesteuert werden, heißt es in der Dezim-Studie: »Verbesserte Rahmenbedingungen, wirksame Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung und klar strukturierte Integrationsprozesse würden nicht nur die Arbeitsrechte, Gesundheit und Teilhabe der Pflegekräfte stärken, sondern zugleich Abwanderung und Fluktuation entgegenwirken und damit die Patientensicherheit und die Stabilität des Gesundheitssystems fördern.« Bundes- und Landespolitik sowie Gesundheitsinstitutionen seien gefordert.

Ab sofort sollte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu den größten Unterstützern der Integrationsförderung gehören, sprach er sich doch ausdrücklich für mehr Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland aus. »Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung«, sagte er am Donnerstag laut Reuters. Die Bundesrepublik sei ein »offenes, freiheitliches, liberales, tolerantes Land«. Man wolle »Menschen gewinnen aus aller Herren Länder, die nach Deutschland kommen und bereit sind, hier zu arbeiten«. Gute Behandlung versprach er allerdings nicht.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (15. November 2025 um 09:09 Uhr)
    Ich danke für diesen Artikel, der sich endlich einmal mit der desolaten Situation in der Pflege auseinandersetzt. Doch gibt es eine Ebene, die hier nicht unerwähnt bleiben sollte. Seit den 2010er Jahren versuchen auch Arbeitsamt und Jobcenter verstärkt, »schwer Vermittelbare« in die Pflege einzugliedern. Heute finden wir ehemalige Maurer, Klempner, Gelegenheitsarbeiter, oftmals mit geringem Bildungsniveau. Diese haben häufig diese Berufsentscheidung nicht aus innerer Motivation, sondern aus ökonomischem Druck oder direktem Druck durch besagte Behörden getroffen. Dies hat nicht nur dazu geführt, dass durch die mangelhafte Ausbildung, nicht nur das Niveau der Pflege drastisch gesunken ist, sondern mehr und mehr Menschen mit faschistischem Hintergrund in den Pflegebereich eingesickert sind. Gerade diese Kolleginnen befürchten zur Zeit durch die wesentlich besser ausgebildeten vietnamesischen, bosnischen oder chinesischen Kolleginnen wieder verdrängt zu werden.