Fürs Vergessen
Von Arnold Schölzel
Kriegstüchtigkeit setzt Gedächtnisverlust und Geschichtsfälschung voraus. Das am Mittwoch vom Kabinett verabschiedete neue Gedenkstättenkonzept des Bundes hält sich an diese Vorgabe. Die Verfasser beim Staatsminister für Kultur und Medien Wolfram Weimer haben 49 Seiten abgeliefert und verzichten immerhin auf Kampfvokabeln. Der Text enthält vor allem eine lustlos-bürokratische Aufzählung jener Orte, an denen faschistischer Verbrechen und des »SED-Unrechts« gedacht wird. Erinnerung an deutsche Kolonialverbrechen hat Weimer aus dem Entwurf seiner Amtsvorgängerin Claudia Roth herausgenommen und dazu etwas Eigenes angekündigt. Das Konzept, das die Bausubstanz der Gedenkorte zu erhalten verspricht und den Verlust an Zeitzeugen durch Digitales ersetzen will, ist vor allem eine Beschäftigungsgarantie für alle, die einer staatskonformen Geschichtspolitik folgen. Die besteht seit dem Anschluss 1990 vor allem darin, Nazidiktatur und DDR mehr oder weniger grobschlächtig gleichzusetzen. In Zeiten der fast bedingungslosen Unterstützung für die Clique in Kiew und der Mobilmachung gegen das nach NATO-Kriterien kommunistisch verseuchte Russland ist das nötiger als in den ersten 30 Jahren der vergrößerten Bundesrepublik.
Im neuen Gedenkstättenkonzept findet sich so als praktisch einzige konzeptionelle Idee die dem verstorbenen Historiker Bernd Faulenbach zugeschriebene Formel: »Weder dürfen die nationalsozialistischen Verbrechen relativiert oder gar geleugnet, noch darf das von der SED-Diktatur verübte Unrecht bagatellisiert werden.« Da versteht es sich, dass zum Beispiel die Machtübergabe an die Nazis durch einen Bürgerblock 1933 oder der Plan, nach dem Überfall auf die UdSSR schnellstens 30 Millionen Sowjetbürger umzubringen, im Weimer-Papier keine Rolle spielen. Beim Thema Faschismus wird in der offiziellen BRD seit jeher vom Kapitalismus geschwiegen. Der Rest, das Herumtrampeln auf dem Staat, der Revanchekrieg und Faschismus 40 Jahre lang verhinderte, ergibt sich da von selbst. Ein Konzept fürs Vergessen.
Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug
Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
-
Leserbrief von Ulrich Sander aus Dortmund (14. November 2025 um 11:46 Uhr)Ergänzend zum Kommentar »Neues Konzept für Gedenkstätten« möchte ich mitteilen: Mit Mahnwachen am ehemaligen Standort der Villa Springorum in Dortmund erinnert die VVN-BdA regelmäßig am 7. Januar an die dortige Tagung der Ruhrlade der Industriellen in 1933. Diese diente der Machtübertragung an Adolf Hitler, wie jene vom 4. Januar 1933 in Köln im Haus des Bankiers von Schröder. An das Treffen vom 7. Januar wird in Dortmund amtlich nicht erinnert, als hätte es nicht stattgefunden. Über den Teilnehmer der Treffen in Köln und Dortmund, von Papen (Zentrums-Partei), wird in einem Katalog der bisherigen Ausstellung fälschlich ausgesagt: Er wurde Ende Januar 1933 »vom Reichspräsidenten Hindenburg mit der Regierungsbildung beauftragt« – nicht etwa Adolf Hitler, wie es seriösen Geschichtsbüchern zu entnehmen ist. Die Ausstellung wurde nun geschlossen. Der Raum zum Thema »Die Ruhrindustrie setzt auf Hitler« soll verschwinden – wie jede kapitalismuskritische antifaschitische Äußerung. Entsprechende Änderungen wurden in allen Gedenkstätten von NRW seit 1990 vorgenommen. Das ging so weit, dass in der Ex-SS-Kultstätte Wewelsburg jeder Hinweis auf den »Freundeskreis Reichsführer SS« fehlt, der dort tagte. Viele Freunde Himmlers waren nach 1945 Freunde Adenauers und in Amt und Würden.
Mehr aus: Ansichten
-
Vom schlechten Ruf des Soldaten
vom 13.11.2025 -
Selenskij angezählt
vom 13.11.2025 -
Kulturbotschafter des Tages: Edeka
vom 13.11.2025