Dialog abgebrochen, Fronten verhärtet
Von Thomas Berger
Die Pakistaner seien schuld, hieß es aus Kabul; die Afghanen seien schuld, hieß es aus Islamabad: Ende der Woche sind die Friedensgespräche zwischen Vertretern Afghanistans und Pakistans gescheitert. Am Sonnabend machte die Regierung in Kabul in einer Stellungnahme ihre Nachbarn für das Scheitern des von der Türkei und dem Golfemirat Katar vermittelten Dialogs verantwortlich. »Pakistans Forderungen in den Verhandlungen waren unverantwortlich«, hieß es nach Angaben von Nachrichtenagenturen von seiten des Regierungssprechers Zabiullah Mujahid. Aus diesem Grund sei eine Einigung nicht möglich gewesen; man müsse für den Moment einen Stillstand der Gespräche konstatieren. Pakistans Verteidigungsminister Khawaja Asif hatte gegenüber Geo News nur kurz erklärt, die Verhandlungen der dritten Gesprächsrunde in Istanbul seien beendet, seine Delegation trete den Heimweg an und habe »keine Pläne für künftige Gespräche«. Am Sonntag legte das Außenministerium in einer langen Erklärung nach. Darin heißt es, Afghanistan unternehme keine ernsthaften Schritte gegen die »Terrorgruppen« im eigenen Land.
Beide Seiten betonen jedoch, sie wollten an der von Katar unter türkischer Hilfe vermittelten Waffenruhe vom 19. Oktober festhalten – sofern sich die jeweils andere Seite an die Vereinbarungen halte. Noch am Donnerstag, dem Beginn der dritten und vorerst letzten Verhandlungsrunde, hatte es einen Zwischenfall an der Grenze gegeben. Nach Angaben der Taliban feuerten pakistanische Truppen ohne ersichtlichen Grund auf die gleich hinter der Grenzlinie liegende Stadt Spin Boldak, die samt Vororten knapp 120.000 Einwohner hat. Pakistan stellte dies als Reaktion auf einen vorherigen afghanischen Angriff dar. Auch wenn der Beschuss laut Nachrichtenagentur AFP nur 10 bis 15 Minuten dauerte, zeigen Vorfälle wie dieser, wie fragil die Waffenruhe ist. Aussagen wie die von Mujahid, Afghanistan habe »im Falle eines Krieges das Recht, sich zu verteidigen«, untermauern, dass die Situation beim geringsten Vorfall erneut eskalieren könnte.
Islamabad wirft seinem Nachbarn schon lange vor, pakistanischen Taliban Zuflucht zu gewähren. Die Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) gelten zwar als ideologischer Ableger der in Afghanistan regierenden Taliban. Sie sind aber eine eigenständige Bewegung, die viele unabhängig operierende Gruppen lose vereint. Parallel ist in beiden Ländern der noch radikalere regionale IS-Ableger IS-Khorasan aktiv. Seit dem überstürzten Abzug westlicher Truppen unter Führung der USA im Jahr 2021 und der Machtübernahme der Taliban in Kabul haben sich die Beziehungen zu Pakistan deutlich verschlechtert. Immer wieder greift Pakistan völkerrechtswidrig Afghanistan an, so etwa 2022 und 2024. Anfang Oktober eskalierte der Konflikt erneut. Dabei griff Islamabad auch Kabul an. Der Verteidigungsminister der Atommacht, Khawaja Asif, drohte den regierenden Taliban in Afghanistan zudem, sie »vollständig auszulöschen und zurück in ihre Höhlen zu treiben«.
Der afghanisch-pakistanische Konflikt ist sowohl im Kontext der vielfältigen innenpolitischen Konfliktlinien Pakistans als auch des regionalen Beziehungsgeflechts zu sehen. So hatte Indien Mitte Oktober erstmals den afghanischen Außenminister in Neu-Delhi empfangen und die Wiedereröffnung der eigenen Botschaft in Kabul angekündigt – einer der bislang größten diplomatischen Erfolge der Taliban-Regierung, die sich aus ihrer internationalen Isolation herausarbeitet. Pakistans Verteidigungsminister Asif hatte der afghanischen Regierung daraufhin unterstellt, »im Schoße Delhis« gelandet zu sein. Indien sei bemüht, die Spannungen gezielt zu schüren. Dafür gibt es zwar keinerlei belastbare Anhaltspunkte. Dass Islamabad die Annäherung seiner beiden Nachbarn aber nicht schmeckt, steht außer Frage. Die Atommächte Pakistan und Indien hatten sich erst im Mai mehrere Tage lang im Zusammenhang mit dem jahrzehntealten Streit um das geteilte Kaschmir aus der Luft angegriffen.
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