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Aus: Ausgabe vom 29.09.2025, Seite 16 / Sport
Baseball

Keiner weiß mehr

Am Dienstag beginnen in der MLB die Playoffs. Vor dem letzten Spieltag der regulären Saison aber war die Lage unübersichtlich
Von Bernhard Krebs
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Jorge Polanco von den Seattle Mariners schlägt einen Homerun gegen die Dodgers

Seit ziemlich genau sechs Monaten ruckelt und zuckelt die nordamerikanische Baseballsaison vor sich hin. Seit Ende März wird so gut wie jeden Tag gespielt. Ein paar freie Tage gab es nur um das All Star Game Mitte Juli herum. Und lautet das Motto im April, Mai und Juni nach Niederlagen »Ruhig bleiben, die Saison ist noch lang«, ist dieser Satz mehr als aufgebraucht, wenn im September plötzlich jeder Pitch, jedes At Bat und jeder Run beim Kampf um die zwölf Playoffplätze zählen. Die diesjährige Saison bildete da keine Ausnahme. Im Gegenteil, es wurde hintenraus sogar so unübersichtlich, dass der interessierte Zuschauer gar nicht wusste, wo er oder sie hinschauen sollte.

Nach den Spielen am Sonnabend nachmittag (Ortszeit) standen immerhin elf Playoffteilnehmer fest. Aus der National League (NL) qualifizierten sich die Milwaukee Brewers – mit der besten Bilanz aller 30 MLB-Klubs – sowie die Philadelphia Phillies und die Los Angeles Dodgers als jeweilige Gewinner ihrer Division. Auf den Wild-Card-Plätzen folgten die Chicago Cubs und die San Diego Padres, die ab Dienstag (Ortszeit) in einer im Best-of-three-Modus gespielten Wild-Card-Serie im Chicagoer Wrigley Field aufeinandertreffen werden. Um die dritte Wild Card fand am Sonntag nach Redaktionsschluss noch ein Fernduell zwischen den New York Mets und den Cincinnati Reds statt, dessen Sieger es ebenfalls am Dienstag mit dem noch amtierenden World Series Champion des vergangenen Jahres, den Los Angeles Dodgers, in LA wird aufnehmen müssen. Während die Mets für eine Playoffteilnahme unbedingt einen Sieg bei den Miami Marlins sowie eine Niederlage der Reds bei den Milwaukee Brewers brauchen, ist für die Reds die erste Playoffteilnahme seit 2020 mit einem Sieg bei den Brewers aus eigener Kraft erreichbar, dank des »Tie Breakers«, den die Reds durch die 4:2-Saisonserie gegen die Mets innehatten. Für die Startruppe aus dem New Yorker Stadtteil Queens wäre es an Peinlichkeit kaum zu überbieten, sollten sie mit ihrem 340 Millionen US-Dollar teuren 40-Mann-Kader (Platz zwei in der MLB nach den Dodgers) die Postseason verpassen. Im Winter hatten sie sich noch für 765 Millionen US-Dollar für 15 Jahre die Dienste von Superstar Juan Soto gesichert – bislang der bestdotierte Profivertrag eines Mannschaftsspielers im Weltsport. Zu Beginn der Saison lief auch alles nach Plan: Am 12. Juni wiesen die Mets eine bärenstarke Bilanz von 45 Siegen zu 24 Niederlagen auf und waren klar die Nummer eins in der MLB. Doch seither spielen die Mets Baseball nach der Hans-Joachim-Kulenkampff-Devise »Jeder blamiert sich, so gut er kann« mit einer beschämenden Bilanz von 38:54.

Sollten die Mets die Postseason tatsächlich verpassen, würde es einen nahezu beispiellosen Kollaps darstellen, der Klubeigner und Multimilliardär Steve Cohen mit heruntergelassenen Hosen dastehen ließe. Schließlich hatte Cohen bei der Übernahme des Klubs im November 2020 den Mund ganz schön voll genommen und versprochen, in höchstens fünf Jahren den ersten World Series Titel seit 1986 nach Queens zu holen. Alles andere, so tönte der Hedgefondsmanager damals, wäre »recht enttäuschend«.

Noch wilder als in der NL stellte sich vor den Sonntagspartien die Situation in der American League (AL) dar. Zwar stand nach den Spielen vom Sonnabend fest, dass die Toronto Blue Jays, New York Yankees und Boston Red Sox sowie die Detroit Tigers, Cleveland Guardians (ehemals Indians) und die Seattle Mariners allesamt in den Playoffs spielen werden. Wer aber noch eine Wild Card Series spielen muss und wer direkt qualifiziert ist, sollte sich erst am Sonntag nachmittag (Ortszeit, nach Redaktionsschluss) in den Partien mit der Nummer 162 entscheiden. Sowohl der AL-East- als auch der AL-Central-Titel waren noch vakant. Dabei rangen in einem Fernduell der einzige kanadische MLB-Vertreter, die Toronto Blue Jays, und der mit 27 World-Series-Titeln mit Abstand erfolgreichste Klub der Baseballgeschichte, die New York Yankees, miteinander um die Krone in der AL East. Während die Blue Jays mit einem Heimsieg gegen die Tampa Bay Rays die Sache selbst in der Hand hatten, mussten die Yankees neben einem Heimsieg gegen die Detroit Tigers auch noch auf eine Niederlage Torontos hoffen. Der Preis für eine Divisionskrone in diesem Fall: sechs freie Tage bis zur AL Division Series am kommenden Sonnabend.

Gleiches galt auch für den Titel in der AL Central, wo die Entscheidung im Fernduell zwischen den Tigers und den Cleveland Guardians fallen musste. Dass es so weit überhaupt kam, hat vor allem mit einem Zusammenbruch der Starting Pitcher der Tigers zu tun. Bis Ende August ließen Tarik Skubal und Konsorten im Schnitt 3,8 ihnen angelastete Runs pro Spiel (Earned Run Average, ERA) zu. Im September sackte der Tigers-ERA auf unterirdische 5,32 ab. Und auch in der Offensive sanken die Tigers unter den MLB-Durchschnitt. Dabei hatte Detroit Cleveland eigentlich schon in der Tasche, als sie am 8. Juli noch fünfzehneinhalb Spiele Vorsprung aufwiesen. Doch die Guardians schlugen beeindruckend zurück und spielten seit dem 6. Juli 44:24. In den zurückliegenden zwei Wochen haben sie einen überragenden 15:2-Lauf vorzuweisen. Sollte Cleveland tatsächlich noch die AL Central gewinnen, wäre es das größte Comeback für eine Playoffqualifikation in der Ära des modernen Baseballs – und die währt immerhin schon 125 Jahre.

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