Das Misstrauen ist da
Von Knut Mellenthin
Die iranische Luftabwehr besteht aus einem Mix aus einheimischen Fabrikaten und dem aus Russland importierten System S-300. Dessen ursprüngliche Version wurde 1978 bei den sowjetischen Streitkräften in Dienst gestellt und seither immer wieder modernisiert, muss aber dennoch als veraltetes Modell gelten. In Russland dominiert inzwischen die Nachfolgeversion S-400. Im Fronteinsatz ist dieses System seit Beginn des Ukraine-Krieges 2022. Inzwischen hat bei den russischen Streitkräften die Ersetzung der S-400 durch die Weiterentwicklung S-500 begonnen.
Die Performance der iranischen Luftabwehr gegen die beiden umfangreichen israelischen Militärschläge am 19. April und am 26. Oktober 2024 sowie während der hauptsächlich gegen das Atomprogramm gerichteten Angriffe im Juni 2025 muss als äußert schwach, ja de facto als wirkungslos eingeschätzt werden. Nicht einmal die offiziellen iranischen Erzählungen vermitteln ein wesentlich optimistischeres Bild. Weder Israel noch die USA, die sich am 22. Juni an der Aggression beteiligten, verloren auch nur ein einziges Kampfflugzeug.
Noch vor diesem Krieg hatten Beobachter, die mit dem nur bedingt realen »strategischen Dreieck« Iran-Russland-China sympathisieren, laut die Frage gestellt, wann denn endlich Moskau auch sein S-400-System in die Islamische Republik schicken werde. Andere hatten Gerüchte und Meldungen verbreitet, wonach dies in naher Zukunft geschehen werde. Iranische Hardliner, vor allem einzelne Abgeordnete des Parlaments, äußerten sich öffentlich »enttäuscht« über den Verbündeten: Russland habe die S-400 dem NATO-Land Türkei verkauft, habe das System auch den Saudis angeboten, verweigere aber seine Lieferung an den Iran, um seine guten Beziehungen zu Israel nicht zu beschädigen.
Die russische Regierung weist derartige Vorwürfe mit dem Argument zurück, dass sie seit 2019 wiederholt ihre Bereitschaft signalisiert habe, dieses Luftabwehrsystem auch den Iranern zu verkaufen, aber zurückgewiesen worden sei. Die Islamische Republik sei nicht interessiert, habe es aus Teheran geheißen, sondern verlasse sich lieber auf die eigene Produktion.
Diese Darstellung scheint wahrheitsgemäß, ist aber nicht von der Vorgeschichte zu trennen: Schon 2007 war ein Kontrakt über die Lieferung der älteren S-300 an den Iran abgeschlossen worden. Aber 2010, als das russische Präsidentenamt aus verfassungsrechtlichen Gründen zwischenzeitlich von Dmitri Medwedew ausgeübt wurde, hatte er die Erfüllung des Vertrages verweigert. Medwedew berief sich dabei auf die Resolution 1929, die der UN-Sicherheitsrat am 9. Juni jenes Jahres mit den Stimmen Russlands und Chinas beschlossen hatte. Das war die härteste der insgesamt sieben Resolutionen des Gremiums gegen den Iran. Sie verbot generell den Verkauf von acht Kategorien schwerer Waffen an Teheran, darunter Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, großkalibrige Artilleriemunition, Kampfflugschrauber, Hubschrauber und eben auch Flugabwehrraketen.
Nach Vereinbarung des internationalen Wiener Atomabkommens (JCPOA) am 14. Juli 2015 hob Moskau das Verkaufsverbot für die S-300 auf und ließ im April 2016 die ersten Teile des Systems liefern. Aber offenbar zu spät: Das iranische Misstrauen in die grundsätzliche Zuverlässigkeit des »strategischen Verbündeten« ist da und scheint nicht so schnell weichen zu wollen.
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