Höcke in Sorge um die »Demokratie«
Von Philip Tassev
Björn Höcke sorgt sich um die bürgerliche Demokratie. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der thüringischen und sächsischen AfD-Landtagsfraktionen am Montag in Berlin hat der Chef der Thüringer AfD Zweifel daran geäußert, ob das »Grundverständnis, wie parlamentarische Demokratie funktioniert, bei den politischen Konkurrenten noch zur Gänze vorhanden ist«. Als Begründung führte er die »Brandmauerstrategie« der »Kartellparteien« und den »offenkundigen Missbrauch« des Inlandsgeheimdienstes Verfassungsschutz »im Kampf gegen die Opposition« an. Das »freie Mandat« und eine »starke Opposition« seien aber der »beste Schutz für eine Demokratie« und die AfD »im materiellen Sinn« die »einzige Opposition in diesem Lande«. Ihre Bekämpfung gefährde daher die Demokratie.
»Der nach Regeln ablaufende Machtkampf in einer parlamentarischen Demokratie« funktioniere nur, »wenn den Konkurrenten in diesem System klar ist, dass aus Regierung Opposition und aus Opposition Regierung werden kann«, dozierte Höcke weiter, bevor er auf das eigentliche Thema der Pressekonferenz zu sprechen kam: die sogenannte Indemnität von Abgeordneten. Anders als die Immunität schützt die Indemnität einen Abgeordneten vor disziplinar-, zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen seines Abstimmungsverhaltens oder seiner Meinungsäußerungen auch über das Ende der Mandatszeit hinaus und kann nicht aufgehoben werden.
Höcke wies darauf hin, dass der mit der Indemnitätsregelung beabsichtigte »Schutz vor staatlicher Verfolgung« in den Landesverfassungen von Thüringen und Sachsen besonders »ausgeprägt« sei, weil in sie die »DDR-Diktaturerfahrung« eingeflossen sei. Im Gegensatz zum Bundestag erstrecke sich der »Oppositionsschutz« und »Abgeordnetenschutz« der thüringischen und sächsischen Verfassungen auf die gesamte »Abgeordnetensphäre« – »von der Social-Media-Arbeit bis zu Parteitagen«.
Der Thüringer AfD-Chef bezog sich hier einerseits auf das »Ramelow-Urteil«, mit dem das Bundesverfassungsgericht diese »Abgeordnetensphäre« definiert und von der Privatsphäre abgegrenzt habe, und auf den Thüringer Verfassungsgerichtshof, der 2019 festgestellt habe, »dass jede außerparlamentarische beeinträchtigende Maßnahme ausgeschlossen« sei – »sei es durch Gerichte, sei es durch Staatsanwälte, sei es durch Gerichtsvollzieher, sei es durch den sogenannten Verfassungsschutz«.
Daran anknüpfend warf Höcke dem thüringischen Verfassungsschutzchef Stephan Kramer und dessen Dienstherren, Innenminister Georg Maier (beide SPD), »Rechtsbeugung« vor, da sie AfD-Abgeordnete durch den Geheimdienst beobachten ließen und lassen. Zudem sei das Gremium im Thüringer Parlament zur »Kontrolle« der Geheimdienste »nicht gesetzmäßig« zusammengesetzt und habe das »verfassungswidrige Verhalten« des Verfassungsschutzes nicht unterbunden, weshalb rechtliche Schritte gegen die Mitglieder jenes Gremiums zu prüfen seien.
Nach diesen Ausführungen kam der beurlaubte Gymnasiallehrer Höcke dann auf die beiden Punkte zu sprechen, die ihm vermutlich am wichtigsten sind: Er forderte, alle »Zuarbeiten« der thüringischen und sächsischen Verfassungsschutzämter, die in dem Gutachten des Bundesamts zur Begründung der Einstufung der AfD als »gesichert rechtsextremistisch« verwendet wurden, aus diesem zu entfernen. Außerdem forderte Höcke eine Einstellung sämtlicher gegen ihn laufenden Verfahren sowie ein Ende der »Schnüffelarbeit« des Bundesamts für Verfassungsschutz in beiden Bundesländern.
Vielleicht sollte der AfD-Fraktionsvorsitzende letzteres noch einmal überdenken, waren es doch gerade die staatlichen Agenten und V-Leute, die die faschistische NPD 2003 vor dem Verbot bewahrten.
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