Nawrockis Zweitwohnung
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
Eine kleine und dem Augenschein nach ziemlich heruntergekommene Zweizimmerwohnung in einem Gdańsker Mietshaus bringt den PiS-Kandidaten für das Präsidentenamt, Karol Nawrocki, in Bedrängnis. Es begann alles mit einem Artikel auf dem Portal onet.pl, der darauf hinwies, dass Nawrocki Eigentümer dieser Wohnung sei, ohne sie aber in seiner Vermögenserklärung angegeben zu haben. Und wozu brauchte er die? Kann ein Präsidentschaftskandidat nicht etwas anständiger wohnen?
Tut er ja auch. Nawrocki nutzt die abgeschabte Wohnung unterm Dach auch gar nicht selbst. Er hat sie nach eigenen Angaben dem langjährigen Mieter abgekauft, als dieser wegen Rückständen bei der Zahlung von Betriebskosten auf der Straße zu landen drohte. Und weil er ein gutes Herz habe, so Nawrocki, habe er dem Mann, der in den Medien nur als »Herr Jerzy« bekannt ist, zugesichert, ihm nicht nur die Wohnung zu sichern, sondern ihn auch lebenslang zu pflegen – wenn dieser ihm im Gegenzug die Wohnung testamentarisch überschreibe.
Das war alles Anfang des vergangenen Jahrzehnts. Damals stieß die Stadt Gdańsk ihren kommunalen Wohnungsbestand ab, und Bestandsmieter konnten die Objekte mit 90 Prozent Rabatt kaufen – also für zehn Prozent ihres Marktwertes. Da wird noch aus jedem Schuppen ein Schnäppchen: 12.000 Złoty betrug der Vorzugspreis für den Mieter, umgerechnet knapp 3.000 Euro. Diese Summe übergab Nawrocki »Herrn Georg« 2011, dieser ging damit zur Wohnungsverwaltung und »privatisierte« das Lokal. Quittungen gibt es keine. Am Tag darauf setzte »Herr Jerzy« ein Testament auf, in dem er Karol Nawrocki und dessen Ehefrau zu Erben der Wohnung einsetzte. Später will Nawrocki noch etwas draufgelegt haben: nämlich den Rest zum damaligen Marktwert der Wohnung in Höhe von 120.000 Złoty bzw. 30.000 Euro. Wahrscheinlich sollte so der Insiderdeal verdeckt werden. Da ein ähnliches Objekt heute etwa 400.000 Złoty wert ist, blieb der Kauf immer noch ein gutes Geschäft. Dabei ist nicht klar, ob und unter welchen Umständen Nawrocki dieses Geld an den alten und an einem Alkoholproblem leidenden Mann gezahlt hat. Er selbst sagte anfangs treuherzig, er habe ihm das Geld in Raten zukommen lassen, weil eine große Summe auf einmal ihn »an Leib und Leben gefährdet« hätte. Ein späteres handschriftliches Schriftstück stellte es anders dar: Nawrocki habe den Rest nicht an den Vorbesitzer ausgezahlt, sondern es mit laufenden Unterstützungszahlungen, der Übernahme der Neben- und Energiekosten usw. verrechnet. Ausgaben also, die Nawrocki als neuer Eigentümer der Wohnung sowieso hätte bezahlen müssen. Und die angebliche persönliche Fürsorge für »Herrn Jerzy«, auf die sich Nawrocki berief, hat wohl auch nicht oder nur sehr eingeschränkt stattgefunden: Eine Sozialarbeiterin, die den Mieter von Amts wegen betreute, gab zu Protokoll, Nawrocki dort nie angetroffen und auch keine Spuren seiner karitativen Tätigkeit vorgefunden zu haben. Seit etwa einem Jahr ist »Herr Jerzy« in einer städtischen Notunterkunft untergebracht.
Nawrocki stellt das alles als eine Intrige seiner politischen Gegner dar – die entsprechenden Informationen seien von den Geheimdiensten der Tusk-Regierung an die Presse durchgestochen worden. Das mag sogar sein, die PiS-Regierung hat diese Unsitte ihrerzeit eingeführt. Aber inhaltlich widerlegt hat er die Vorwürfe nicht. Im Gegenteil: Als die Geschichte schon zwei oder drei Tage durch die Medien lief, kündigte der PiS-Kandidat an, seine Frau und er würden die Wohnung einer »karitativen Organisation« übergeben– weg mit dem Schaden. Welcher Organisation, wusste Nawrocki nicht zu sagen. Ebenso ändert sich die »Tagesbotschaft« an die PiS-Politiker zur Linie, auf der sie Nawrocki verteidigen sollten, von Tag zu Tag. Der PiS-kritische Sender TVN 24 brachte am Sonntag eine Dreiviertelstunde lang einen genüsslichen Zusammenschnitt der widersprüchlichen Zitate von Nawrockis Parteifreunden.
Natürlich ist das für Nawrockis Gegner ein gefundenes Fressen. Hängen bleibt ein mutmaßlicher Privatisierungsschwindel durch jemanden, der als Chef der nationalen Gedenkbehörde IPN und zuvor des Museums für Geschichte des Zweiten Weltkriegs mehr als ordentlich verdient hat. Wie schäbig auch immer Nawrockis Verhalten gegenüber »Herrn Jerzy« persönlich gewesen sein mag: Der Stadt unter falschen Angaben eine Wohnung entzogen zu haben, in der heute andere bedürftige Menschen hätten leben können, lässt den von Nawrocki deklarierten Patriotismus etwas hohl klingen.
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