Stromausfälle in der Ukraine
Von Reinhard Lauterbach
Auch am Montag ist es in Kiew und im Bezirk Odessa wieder zu ungeplanten Stromausfällen gekommen. Diese treten ein, wenn die planmäßigen Abschaltungen – die bis zu zwölf Stunden am Tag dauern können – nicht ausreichen, um die Spannung im Netz aufrechtzuerhalten. Vor diesem Hintergrund ist eine Äußerung des Chefs des größten ukrainischen Energieversorgers DTEK, Maxim Timtschenko, vom Wochenende zu sehen, alle, die es sich leisten könnten, sollten sich überlegen, ob sie nicht außerhalb des Landes überwintern könnten, um das Stromnetz zu entlasten. Daraufhin erklärte am Montag ein Berater von Staatschef Wolodimir Selenskij im staatlichen Fernsehen, die Ausreise sei jedenfalls »nicht sofort« anzuraten. Die Techniker arbeiteten daran, dass niemand »länger als zwei, drei Tage« ohne Strom auskommen müsse.Ukrinform
Bereits in der vergangenen Woche hatte die Ukraine die Bevölkerung des von ihr gerade zurückeroberten Cherson aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Vizeregierungschefin Irina Wereschtschuk sagte der amtlichen Agentur Ukrinform, der Staat übernehme alle Kosten für Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung am neuen Wohnort. Der Aufruf erfolgte offenbar, nachdem die abziehenden russischen Truppen laut Kiew die Strom- und Wasserinfrastruktur der Stadt zerstört hatten.
Am Montag besuchte Selenskij gemeinsam mit seiner Ehefrau die Gedenkstätte für die »himmlische Hundertschaft«. Damit sind die Toten der Schusswechsel im Zuge des sogenannten Euromaidan 2014 gemeint. In einem Video zum neunten Jahrestag des Beginns des »Euromaidan« erklärte Selenskij, die Ukrainer hätten im Krieg ihre nationale Würde gewonnen. Sie könnten heute ohne Geld, Benzin, warmes Wasser und Licht leben, aber nicht ohne Freiheit. Es komme darauf an, Würde zu zeigen und nicht aufzugeben. Selenskij hatte das Jubiläum – vermutlich, um einen Anlass für seine Durchhalterede zu haben – um zwei Tage vorgezogen. Faktisch hatte der »Euromaidan« nicht am 21., sondern am 23. November 2013 begonnen.
Derweil sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei einer Geberkonferenz in Paris 32,35 Millionen Euro an Unterstützung für Moldau zu. Bei den zwei vorangegangenen Treffen waren insgesamt 1,2 Milliarden Euro an Hilfen und Krediten für Chisinau zusammengekommen.
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Leserbrief von Gerhard Allianz GV Gerhard Hoffmann aus Halberstadt (22. November 2022 um 17:18 Uhr)Herr Selenskij muss sich der unumstößlichen Tatsache bewusst sein, dass seine Macht und die seines Vorgängers Poroschenko auf dem Blut des »Euromaidan« beruht. Wenn er sich dessen bewusst wird und dann immer noch von »Ehre« und »Freiheit« spricht, kann man bei ihm getrost von fortgeschrittener kognitiver Dissonanz sprechen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Erich Rainer K. aus Potsdam (22. November 2022 um 10:59 Uhr)Die Kiewer Sprechpuppe hat bei seiner Rede zum sogenannten »Euromaidan«, der ja in Wirklichkeit ein faschistischer Putsch gegen den gewählten Präsidenten war, nicht die Opfer im Visier, die durch die Neonazibanden seines Vorgängers abgeschlachtet wurden. Mehrheitlich prorussische Ukrainer, wie zum Beispiel im Gewerkschaftshaus zu Odessa, die von entmenschten Verbrechern im Auftrage der Putschisten bei lebendigem Leib verbrannt wurden. Soviel zum Freiheitsgesäusel der omnipräsenten Marionette.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (22. November 2022 um 10:07 Uhr)Aus den stolz präsentierten »wiedereroberten Cherson-Territorien« die Bevölkerung zur Ausreise aufzufordern hat mit den Stromausfällen wenig zu tun, weil anderswo die Stromversorgung kaum besser ist. In der ukrainischen Militärstrategie ist nach wie vor die Überflutung von Cherson und Umgebung durch Sprengung des Kachowka-Staudammes ein zentrales Ziel, weil ansonsten das russische Militär von der linken Dniproseite nicht zu vertreiben ist. Übrigens, damit würde noch ein weiteres strategisches Ziel erreicht, die Trinkwasserversorgung der Krim würde wieder ungelöst!
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude, Russland (22. November 2022 um 01:32 Uhr)»In einem Video zum neunten Jahrestag des Beginns des ›Euromaidan‹ erklärte Selenskij, die Ukrainer hätten im Krieg ihre nationale Würde gewonnen.« Sicher kämpft ein Teil der ukrainischen Armee, die ja nicht ausschließlich aus Neonazis besteht oder aus Verbrechern, welche Zivilisten an Pfähle fesseln, Kriegsgefangene ermorden, Atomkraftwerke beschießen, mit dem inneren Gefühl nationaler Würde. Diese nationale Würde wurde jedoch durch die ukrainischen Politiker seit den bewusst nie aufgeklärten Morden auf dem Maidan und der anschließenden vollkommenen Unterordnung als Vasallenstaat der USA ebenso verspielt wie die Würde von Deutschland, welches keinen Mucks zu sagen wagt, wenn ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit NATO-»Verbündete« die Gasleitungen wegsprengen. Vielleicht meinte Selenskij, dass es nötig war, seine nationale Würde zu gewinnen, nachdem man sie zuvor restlos durch den achtjährigen Beschuss der eigenen Landsleute im Donbass verloren hatte? Es ist kein Wunder, dass sich selbst die USA über den enormen Waffenverschleiß in der Ukraine wundern, wenn diese täglich zum Beschuss von Zivilisten verwendet werden, wie in Donezk. Welche Würde? Dort werden im gesamten Stadtzentrum getarnte Antipersonenminen abgeworfen, die wie Baumblätter aussehen. Sie töten die Menschen nicht, reißen ihnen jedoch die Fußgelenke ab. All das, was die Westukraine jetzt bei Strom- und Wasserabschaltungen erlebt, haben ihre eigenen Landsleute im Donbass seit 2014 täglich erlebt, und es hat die weitgehend nationalistisch gestimmte Bevölkerung mehrheitlich nicht interessiert (60 Prozent Stimmanteil für neonazistische Parteien bei Wahlen in manchen Städten der Westukraine).
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