»Der Militarismus hat sich weiter verschärft«
Interview: Sara Meyer
Ihre Organisation hat jüngst den nationalen Menschenrechtspreis für die Arbeit mit ehemaligen Guerillafrauen und Frauen in all ihrer Vielfalt in verschiedenen Regionen Kolumbiens gewonnen. Welche Arbeit leistet die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit?
LIMPAL hat diese Ehrung für mehr als zwei Jahrzehnte Arbeit mit der Begleitung von Frauen in unterschiedlichsten Lebenssituationen und Territorien erhalten. Wir setzen uns für einen feministischen Frieden ein. Das bedeutet, wir überprüfen bisherige politische Programme, Aktionen und allgemein verbreitete Auffassungen, die Frauen benachteiligen. Eine solche Reflexion soll den Weg zu einem staatlichen Umdenken ebnen und die lange bestehenden Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern abbauen. Im Hinblick auf den Frieden in Kolumbien fördert unsere antimilitaristische, feministische Denkweise den Einbezug ausgegrenzter Bevölkerungsgruppen, wie die LGBTQIA+-Gemeinschaft, Angehörige ethnischer Minderheiten und ehemaligen Guerillakämpferinnen.
Aktuell hat sich der Militarismus durch Polizeigewalt, Krieg und den Einsatz von Waffen weiter verschärft. Das macht es notwendig, feministische Stimmen zu stärken, die den Antimilitarismus als Alternative ins Spiel bringen. Deshalb hat sich LIMPAL dem Wissensmanagement, der feministischen Friedensförderung und der Forschung mit einem antimilitaristischen Ansatz verschrieben.
Hat sich die Arbeit unter der Präsidentschaft von Gustavo Petro, der für eine Politik des Wandels steht, im Vergleich zu der vorherigen rechten Regierung von Iván Duque verändert?
Ja, sie hat sich verändert. Jetzt haben wir eine Regierung, die uns und den Menschenrechtsaktivisten zuhört. Dennoch müssen wir uns stark dafür einsetzen, dass der Staat unsere Frauenagenda als Priorität mit aufnimmt.
Vor zwei Wochen machte der Senat den Weg frei für die Abschaffung der Wehrpflicht in Kolumbien. LIMPAL setzt sich seit vielen Jahren für ein antimilitaristisches Kolumbien ein. Was verstehen Sie unter Antimilitarismus und welche Probleme sehen Sie hinsichtlich der Militarisierung?
Antimilitarismus sehen wir aus einem strukturellen Blickwinkel. Wir wollen das Staatsbudget für Krieg, Militär und Sicherheit reduzieren. Wir wollen die militärischen Praktiken, die in unserer Kultur vorherrschen und mit denen wir indoktriniert werden, ändern – zum Beispiel das Bild des Soldaten als Nationalhelden oder das positive Ansehen einer Person in militärischer Uniform. Außerdem sind wir nicht mit der hierarchischen Position einverstanden, die das Militär gegenüber der Bevölkerung hat.
Ihre Organisation begleitet auch ehemalige FARC-Kämpferinnen bei ihrem Eingliederungsprozess. Wie schätzen Sie den Stand der Wiedereingliederung in das zivile Leben ein?
Diese Frauen haben sich dafür entschieden, ihre Waffen gegen ein ziviles Leben in Frieden einzutauschen und den Weg der Demokratie zu gehen. Unsere Arbeit besteht darin, sie dabei zu unterstützen, dieses Leben ohne Waffen weiterhin aufrechtzuerhalten und in die Gesellschaft zurückzufinden. Dabei leisten wir vor allem psychosozialen und rechtlichen Beistand. Diesen Prozess sehe ich bisher als erfolgreich an.
Nach Petros Amtsantritt war LIMPAL zu Gast im Kongress. Dort haben Sie über einige Gesetzesentwürfe debattiert, die die Situation der weiblichen Bevölkerung im Land verbessern soll. Was erwarten Sie von der Regierung Petro?
Wir erwarten ein bedeutendes Engagement hinsichtlich der Frauenrechte. Dabei sind uns drei Punkte besonders wichtig: der Frieden in Kolumbien, sexuelle und reproduktive Rechte sowie Gleichberechtigung, insbesondere beim Zugang zu Land, Arbeit und Bildung. Die Regierung muss zeitnah Initiativen ergreifen und die Gleichstellungslücken abbauen, da eine Legislaturperiode sehr kurz ist.
Diana María Salcedo López ist Direktorin der feministischen Nichtregierungsorganisation LIMPAL (Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit) mit Sitz in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá
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