Bogotá will mit allen sprechen
Von Julieta Daza, Caracas
Kolumbiens Präsident Gustavo Petro drängt auf rasche Friedensverhandlungen – mit allen bewaffneten Akteuren des Landes. Um solch einen juristischen Rahmen zu geben, unterzeichnete er am Freitag gemeinsam mit seinem Innenminister Alfonso Prada, Verteidigungsminister Iván Velásquez und Justizminister Néstor Osuna das sogenannte Gesetz des totalen Friedens. Genau genommen handelt es sich bei diesem um die Verlängerung, Änderung und Erweiterung einer bereits seit 1997 bestehenden Verordnung: dem Gesetz 418, das auch als »Gesetz der öffentlichen Ordnung« bekannt ist.
Mit der neuen Regelung wird der »totale Frieden« zum Staatsziel erklärt und für einen solchen nötige finanzielle Mittel im Haushalt festgeschrieben. Neben der Erleichterung neuer Verhandlungen mit bewaffneten Gruppen soll mit ihr zudem dazu beigetragen werden, dass frühere Friedensabkommen konsequenter umgesetzt werden. Besonders im Fokus steht dabei der 2016 zwischen der damaligen kolumbianischen Regierung und der linken Guerillaorganisation FARC-EP geschlossene Vertrag. Außerdem wird die Möglichkeit, einen »sozialen Dienst für den Frieden« anstatt des obligatorischen Wehrdienstes abzuleisten, eingeführt. Eine zuvor diskutierte Amnestie für diejenigen, die während der Protestbewegung 2021 festgenommen worden waren, bekam hingegen keine Mehrheit.
Bereits Anfang Oktober hatte die kolumbianische Regierung, die seit Anfang August im Amt ist, gemeinsam mit der letzten verbliebenen größeren Guerilla des Landes, der Nationalen Befreiungsarmee (ELN), die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen angekündigt. Neben der ELN existieren in Kolumbien eine Reihe kleinerer Guerillaorganisationen, die größtenteils aus FARC-EP-Strukturen hervorgegangen waren. Viele ihrer Kämpfer hatten sich vom Friedensprozess abgewendet, nachdem der kolumbianische Staat fundamentale Punkte des 2016 geschlossenen Abkommens nicht erfüllt hatte. Hinzu kommt eine Vielzahl an paramilitärischen Gruppen sowie Drogenbanden.
Bei den vorangegangenen Debatten im kolumbianischen Parlament war teilweise hitzig darüber diskutiert worden, mit welchen bewaffneten Gruppen die Regierung Gespräche führen solle. So sprach sich unter anderem der Senator Humberto de La Calle Ende Oktober vehement gegen die Aufnahme von Verhandlungen mit Dissidentengruppen der ehemaligen FARC-EP – so beispielsweise der »Zweiten Marquetalia« – aus. Um die Aufnahme solcher zu verhindern, schlug er einen »ausdrücklichen Artikel« als Teil des neuen Gesetzes vor, laut dem »Deserteure nicht mit der Regierung verhandeln dürfen – es sei denn, sie unterwerfen sich der Justiz«. Wie Innenminister Prada in derselben Senatsdebatte betonte, hätte ein solcher Gesetzesartikel »verheerende« Auswirkungen auf den gesamten Friedensplan der Regierung. Man müsse die Tür auf-, nicht zustoßen. Nur so könnten »alle Ausdrücke von Gewalt im Land« zum »totalen Frieden« bewegt werden.
Auch von links wurden einzelne Aspekte des Gesetzes kritisiert. So warnte der Universitätsprofessor und Aktivist Francisco Toloza in mehreren Artikeln sowie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter davor, linke Guerillaorganisationen und rechte Paramilitärs durch die Einstufung als »kriminelle Gruppen« in einen Topf zu werfen. Dadurch würden die Hintergründe für deren Agieren verschleiert und die Aufklärung über die Verantwortlichen deutlich erschwert.
Am Montag begrüßte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, Peter Stano, per Twitter die Unterzeichnung des Gesetzes. Zudem erklärte er, Brüssel unterstütze »alle Bemühungen zur Konsolidierung des Friedens in Kolumbien«.
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