Junior übernimmt in Manila
Von Thomas Berger
Als sich Klarheit darüber abzeichnete, wer die Präsidentschaftswahlen auf den Philippinen gewonnen hat, zitierte das Nachrichtenportal Rappler den folgenden kritischen Tweet: »Legt den Sicherheitsgurt an. Die dunkle Seite der Geschichte kommt erst noch«. Es ist nicht nur eine Stimme, die warnt, was dem südostasiatischen Inselstaat unter Ferdinand Marcos jr. als Staatschef bevorstehen könnte, wenn er voraussichtlich am 30. Juni ins Amt eingeführt wird. Auch studentische Organisationen an verschiedenen Universitäten haben zum Widerstand aufgerufen. »Keine Lehrveranstaltungen unter Marcos als Präsident«, lautete das Motto.
Der 64jährige hatte sich am Montag mit deutlichem Vorsprung gegen neun Gegenkandidaten durchgesetzt. Seine stärkste Kontrahentin war die scheidende Vizepräsidentin Maria Leonor Robredo, die ihn noch 2016 im Rennen um dieses Amt knapp geschlagen und den weiteren Aufstieg des damaligen Senators temporär gestoppt hatte.
Diesmal reichte alle Mobilisierung nicht. Robredo, linksliberale frühere Menschenrechtsanwältin, kam zwar auf rund 15 Millionen Stimmen – Marcos jr., Sohn des früheren Diktators Ferdinand E. Marcos, hingegen mit gut 31 Millionen auf über doppelt so viele. Erstmals bei einer philippinischen Präsidentschaftswahl erzielte ein Kandidat sogar weit mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen. Damit stellte der künftige Staatschef selbst das Ergebnis des scheidenden Amtsinhabers Rodrigo Duterte vor sechs Jahren in den Schatten.
Relativ sicher war aber schon vorher gewesen: Marcos selbst ist besonders im Norden der Hauptinsel Luzon, wo Ilocos Norte, die Heimatprovinz seiner Familie liegt, erfolgreich. Dass er auch auf der zweitgrößten Insel Mindanao im Süden noch überdurchschnittlich gut abschnitt, liegt an der dortigen Popularität von Sara Duterte-Carpio. Die Tochter des Nochpräsidenten, die ihrem Vater bei dessen Wechsel auf die nationale Ebene als Bürgermeisterin der Großstadt Davao gefolgt war, kandidierte an der Seite von Marcos als neue Vizepräsidentin – und siegte ebenso haushoch. Sogenannte Trollarmeen im Internet hatten das Image von Marcos jr. und die Politik seiner Familie gezielt aufpoliert, von Korruption und Menschenrechtsverletzungen abgelenkt. Viele aus der sehr jungen Bevölkerung betrachten die Ära seines Vaters wegen des Ausbaus der Infrastruktur und einiger Wirtschaftserfolge als »goldenes Zeitalter«, an das der Sohn anknüpfen solle.
Am Dienstag demonstrierten in der historischen Altstadt Manilas zahlreiche Kritiker vor dem Sitz der Wahlkommission Comelec. Sie prangerten an, dass einige Wahlmaschinen nicht funktioniert hätten und es lange Schlangen an den Wahllokalen gegeben habe. Dabei muss sich die Comelec noch andere Fragen gefallen lassen. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Kandidatur von Marcos jr. waren von der Aufsichtsbehörde anscheinend allzu leicht beiseite gewischt worden. Forderungen einer erneuten Prüfung lehnte die Comelec ab.
Dem 1946 unabhängig gewordenen Staat, der erst spanische und dann US-Kolonie war, steht nun eine Staffelstabübergabe zwischen zwei Rechten im Präsidentenpalast bevor. 36 Jahre ist es her, seit eine breite Volksbewegung mit Unterstützung der Armeespitze Diktator Marcos sr. stürzte, der das Land von 1965 bis 1986 führte, Oppositionelle ermorden oder ins Gefängnis werfen ließ. Mit einer solchen Politik hatte Duterte wieder begonnen. Unter Marcos jr. könnte sich dies noch verschlimmern, befürchten viele im Land. Robredo gibt sich nach wie vor kämpferisch. Man werde weiter für die Rechte der Marginalisierten eintreten, so ihr Vizekandidat Francis Pangilinan in einer Mitteilung vom Dienstag.
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