Zum Erhalt verpflichtet
Von Marc Bebenroth
Manche antikommunistische Auswüchse gehen wohl selbst einem CDU-Generalsekretär zu weit. Mit Blick auf den bevorstehenden 8. Mai hat Mario Czaja sich am Freitag gegen revisionistische Forderungen nach Abriss oder Umbau von sowjetischen Ehrenmalen in der BRD ausgesprochen. Die Sowjetunion sei »bei aller Kritik ein multinationaler Staat« gewesen, sagte Czaja dem Berliner Tagesspiegel. An der Befreiung von der faschistischen Herrschaft waren »Soldaten aus allen Regionen der Sowjetunion beteiligt, neben Russen also auch Ukrainer«. Doch um die Würdigung gefallener Rotarmisten geht es dem CDU-Politiker weniger. »Insbesondere« für die Bundeshauptstadt gelte es, am diesjährigen Tag der Befreiung »Provokationen zu unterbinden«, sagte er dem Blatt.
Eine solche kam zuletzt von Stefanie Bung, CDU-Fraktionsvize im Berliner Abgeordnetenhaus. Bung hatte unter Verweis auf den von Russland begonnenen Krieg in der Ukraine gefordert, die Panzer des Sowjetischen Ehrenmals im Berliner Tiergarten entfernen zu lassen. Soweit mag der Direktor des Museums Berlin-Karlshorst, Jörg Morré, nicht gehen. Er sprach sich im RBB Inforadio am Freitag zwar dafür aus, sowjetische Ehrenmale bestehen zu lassen. Die Denkmäler müssten aber in einem »anderen Zusammenhang« gesehen werden, meinte Morré. Dessen Haus hat seinen bisherigen Namen »Deutsch-Russisches Museum« übrigens seit dieser Woche in »Museum Berlin-Karlshorst« geändert.
Doch etwaige Debatten über Erhalt oder Demontage sowjetischer Ehrenmale übergehen völkerrechtliche Vereinbarungen. Die Bundesrepublik ist zum Erhalt sowjetischer Ehrenmale und Kriegsgräberstätten verpflichtet. »Die auf deutschem Boden errichteten Denkmäler, die den Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft gewidmet sind, werden geachtet und stehen unter dem Schutz deutscher Gesetze. Das Gleiche gilt für die Kriegsgräber, sie werden erhalten und gepflegt«, heißt es unter Punkt 2 des gemeinsamen Briefs des Bundesministers des Auswärtigen und des amtierenden Außenministers der DDR im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Zwei-plus-vier-Vertrags vom 12. September 1990. Und auch im deutsch-sowjetischen Nachbarschaftsvertrag vom 9. November 1990 hat sich die BRD verpflichtet, sowjetische Denkmäler und Kriegsgräber in Deutschland zu erhalten und zu pflegen, wie die Bundesregierung auf ihrer Internetseite informiert.
In der Praxis häuften sich die Angriffe zuletzt. So hatten Unbekannte Nazisymbole sowie Schriftzüge in den ukrainischen Nationalfarben an ein sowjetisches Ehrenmal in Neubrandenburg gesprüht, wie der Nordkurier am 20. April berichtete. Zwischen dem 18. und 19. April hatten unbekannte Täter in Potsdam das Ehrenmal zur Erinnerung an die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten der Roten Armee mit roter Farbe begossen, wie der RBB am 20. April berichtete. In der Nacht zum 7. April war die sowjetische Gedenkstätte im Treptower Park in Berlin großflächig unter anderem mit dem Schriftzug »Death to all Russians« (Tod allen Russen) geschändet worden. Es war der schwerste Angriff auf ein Denkmal dieser Art seit Jahrzehnten.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ralf S. aus Gießen ( 7. Mai 2022 um 11:53 Uhr)Man muss glatt annehmen, dass die Täter in solchen Fällen von der Grünen Jugend sind.
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