Veränderte Atmosphäre
Von Katinka Zak, Erbil
Es ist ruhig am Mittwoch vormittag auf einer von Erbils Hauptstraßen. Hier stehen Hochhäuser und teure Hotels gegenüber von Brachflächen. Wegen eines Sandsturms ist der Himmel diesig grau-gelb. Es riecht nach Benzin. Viele Autos sind unterwegs, kaum Fußgänger. Alle Geschäfte und Restaurants sind zu, der Fastenmonat Ramadan hat am 2. April begonnen.
In der Nacht zu Montag griff die türkische NATO-Armee erneut die Kurdistan-Region des Irak an. In deren Hauptstadt Erbil merkt man militärisch gar nichts davon, sagt Fuad Zindani, Leiter der Föderation der politischen Gefangenen Kurdistans, »aber die Atmosphäre ändert sich. Die Bevölkerung lehnt die türkischen Angriffe ab.« Bevor Zindani sich auf den Stuhl vor einem verschlossenen Café setzt, wischt er Sand und Staub ab. Er ist in Erbil geboren, war in den 80er Jahren aktiv und selbst in politischer Gefangenschaft unter Saddam Hussein.
Der Zeitpunkt des Angriffs sei bewusst gewählt: Es ist Ramadan, in Europa wurde Ostern gefeiert, und große Teile der internationalen Öffentlichkeit richten ihren Blick auf die Ukraine. Auch die dadurch den dortigen Krieg erhöhte Nachfrage nach Öl und Gas in Europa sei ein Ansporn für die Regierung in Ankara, denn in Südkurdistan gibt es sowohl Öl- als auch Gasvorkommen. »Die Lebensmittel werden jetzt auch in Erbil teurer. Das merken wir täglich«, sagt Zindani.
Am Mittwoch abend sollte es im Zentrum von Sulaimanija eine Demonstration gegen die Angriffe geben. Die Möglichkeiten zur politischen Mitbestimmung hätten seit 2003 stetig ab- und die Repressionen zugenommen, sagt Zindani. Nach seinen Schätzungen gibt es momentan bis zu 100 politische Gefangene in Südkurdistan. »Die Bevölkerung hat immer ihr Blut für die kurdische Freiheit gegeben, aber bis heute sehen wir politische Gefangene.«
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