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08.01.2022, 20:00:00 / Aktion
#RLK22

Podiumsdiskussion: »Axt an den Grundwerten der Linkspartei«

Von Nico Popp
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Die Podiumsdiskussion der #RLK22 (v.l.n.r.): Martin Singe (Pax Christi), Andrea Hornung (Bundesvorsitzende der SDAJ), Horst Schmitthenner (ehemaliges Vorstandsmitglied der IG Metall), jW-Chefredakteur Stefan Huth, Schauspielerin Esther Zimmering und Sören Pellmann (MdB Die Linke)

Das Abschlusspodium der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz hat begonnen. jW-Chefredakteur Stefan Huth diskutiert mit Sören Pellmann (MdB Die Linke), Horst Schmitthenner (ehemaliges Vorstandsmitglied der IG Metall), Andrea Hornung (Bundesvorsitzende der SDAJ), Martin Singe (Pax Christi) und der Schauspielerin Esther Zimmering zum Thema »Wie wir den nächsten großen Krieg verhindern«.

Esther Zimmering berichtet über ihre Politisierung während des US-Krieges gegen den Irak 1991, Andrea Hornung über Eindrücke im Zuge ihres Engagements in der Friedensbewegung und diesbezügliche Aktivitäten an der Uni Frankfurt. Horst Schmitthenner war schon Anfang der 1960er Jahre in der Friedensbewegung aktiv. Da habe er mit Freunden die Losung »Kampf dem Atomtod« auf die Schlackehalde eines Stahlwerks geschrieben. In gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen kam er mit dem Marxismus in Kontakt. Für die heutige Generation, legt Schmitthenner nahe, sei das schwerer. Es habe eine sehr starke Entpolitisierung der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit stattgefunden. Martin Singe kam über die »Gerechtigkeitsarbeit« in studentischen Hochschulgemeinden im Zuge der NATO-»Nachrüstung« um 1980 zur Friedensbewegung, Sören Pellmann über die Leipziger Antikriegsbewegung zu Beginn der 1990er Jahre zur damaligen PDS.

Pellmann betont, dass für ihn das Erfurter Programm von Die Linke Richtschnur der Positionierung der Partei in der Friedensfrage sei. Er nehme wahr, dass es hier Wortmeldungen gebe, die die »Axt an die Grundwerte« der Linkspartei legen. Diese Stimmen spiegelten aber nicht die Mehrheitsmeinung bei den Genossinnen und Genossen der Basis. Bewege sich die Partei aber dennoch in diese Richtung, dann werde sich das auch in einem weiteren Rückgang der Wählerstimmen bemerkbar machen. Andrea Hornung wirft ein, sie halte die mehrheitliche Enthaltung der Fraktion Die Linke in der Abstimmung über das »Evakuierungsmandat« der Bundeswehr in Afghanistan für »fatal«. Pellmann hatte zuvor seine Enthaltung damit begründet, dass es hierbei »auch« um die Evakuierung der »Ortskräfte« gegangen sei. Grundsätzlich habe er auch ein »Nein« für richtig gehalten. Horst Schmitthenner hält es für erstrebenswert, den Einfluss der Bundestagsfraktion zugunsten der Partei zurückzudrängen. Pellmann warnt: Er wisse nicht, ob es eine gute Idee sei, wenn bestimmte Positionen, die derzeit im Parteivorstand mehrheitsfähig seien, Richtschnur der Politik der Bundestagsfraktion würden.

Martin Singe hält die Friedensbewegung nach wie vor für eine »weitverzweigte Basisbewegung«. Das Potential in der Bevölkerung sei da. Beim Irakkrieg 2003 habe es natürlich deutlich mehr Aktionen des zivilen Ungehorsams gegeben. Schmitthenner sagt: »Wir müssen stärker werden in der Argumentation.« Es gebe »riesige Informationsdefizite«; etwa hinsichtlich des Umstandes, dass Russland einen Bruchteil der Summe für Rüstung ausgebe, den die NATO ausgibt. Die ganze Argumentation, dass Russland der Aggressor sei, müsse hinterfragt werden. Die Gegenseite brauche das Bild des Aggressors, um die Bevölkerung davon abzuhalten, gegen Aufrüstung und Kriegsgefahr auf die Straße zu gehen. Andrea Hornung warnt nachdrücklich vor einer Position der Äquidistanz. Auch Pellmann sagt, für ihn sei klar, wo der Aggressor stehe. Das sähen einige in seiner Partei sicher anders; aber das sei nicht seine Position.

Martin Singe nennt zahlreiche Anknüpfungspunkte und Aktivitätsmöglichkeiten der Friedensbewegung in den kommenden Monaten. Horst Schmitthenner sagt, die IG Metall habe lediglich etwa 10.000 Beschäftigte in der Rüstungsindustrie zu vertreten. Die meisten davon seien keine Militaristen. Man brauche den Mut und den politischen Willen, auf Alternativen zu drängen. Er sei überzeugt, dass diese Arbeiterinnen und Arbeiter einen angebotenen alternativen Arbeitsplatz akzeptieren. Hier aktiv zu werden und zu mobilisieren, sei aber eine Forderung an die Gewerkschaften, die hier nicht sagen könnten, das sei Sache der Friedensbewegung.

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