Verschärfte Verunsicherung
Von Simon Zamora Martin
Kommenden Montag startet das neue Semester an den Berliner Hochschulen, welches bis auf weiteres nur übers Internet stattfindet. Am Mittwoch trafen sich rund 300 Beschäftigte und Studierende der Freien Universität Berlin (FU) zu einer virtuellen Vollversammlung, um Bilanz über ein Jahr Onlinelehre zu ziehen.
Dort präsentierte die Fachbereichsinitiative »Philosophie und Geisteswissenschaften« erste Ergebnisse einer Umfrage zu Problemen der Studierenden. »Zwei Drittel der Befragten klagen darüber, dass der Arbeitsaufwand für die digitale Lehre erheblich höher ist«, berichtete die Mitinitiatorin der Studie, Silvana – die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte –, am Donnerstag im Gespräch mit jW. »Nur vier Prozent gaben an, keine Sorgen und Probleme zu haben.« 80 Prozent klagen demnach über Konzentrations- und Motivationsprobleme, die Hälfte aller Befragten plagten existentielle oder Zukunftssorgen. »Aber trotz der gestiegenen Arbeitsbelastung können es sich die meisten Studis nicht leisten, weniger Kurse zu besuchen.« Auch wenn die Semester nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet würden, sei es nach wie vor ungewiss, ob sich beispielsweise der BAföG-Anspruch verlängert oder nicht. »Das ist eine riesige Abwärtsspirale«, kritisierte Silvana. »Leute arbeiten mehr, weil sie es sich nicht leisten können, länger zu studieren. Aber der gestiegene Arbeitsaufwand macht uns zunehmend leistungsunfähig. Wir können uns nicht weiter optimieren.«
Durch die Verschiebung des Arbeitsmittelpunktes in die eigenen vier Wände wundert es nicht, dass gerade beim Thema Wohnen viele Probleme auftreten. Zwei Drittel der Befragten hätten »immer wieder Probleme mit der Internetverbindung«. Ein Drittel verfüge nicht über einen ausreichend ruhigen Arbeitsort, und 20 Prozent hätten über unsichere oder belastende Wohnsituationen geklagt. Selbst das staatliche Studierendenwerk drohe während der Pandemie mit Zwangsräumungen. Die Mitinitiatorin der Erhebung zeigte sich daher froh, dass auf der Vollversammlung auch ausführlich über die Berliner Kampagne »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« diskutiert und eine Unterstützungsresolution verabschiedet wurde. »Eine knappe Mehrheit der Studierenden hat darüber hinaus für eine entschädigungslose Enteignung gestimmt«, sagte Andrés Garcés aus dem Moderatorenteam gegenüber jW.
»Der Redebedarf auf der Versammlung war sehr groß«, so Garcés. Viele Themen wie die Probleme von Studierenden mit Kindern, mit Prüfungen oder finanzielle Fragen hätten nicht ausdiskutiert werden können. Deshalb soll es vor dem 1. Mai eine zweite Vollversammlung geben. Eine Stärke sah Garcés darin, dass es geglückt sei, FU-spezifische Themen mit größeren politischen Fragen wie der des Wohnraumes zu verknüpfen. »Aber wir brauchen eine Kraft, die sich nicht zum Diskutieren trifft, sondern die Forderungen auch durchsetzen kann.« Seine Hochschulgruppe »KGK-Campus« schlägt dafür ein Aktionskomitee vor, in dem sich alle Interessierten engagieren können, um nicht ein weiteres Jahr auf den Allgemeinen Studierendenausschuss zu warten.
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